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Sanktionen gegen, Waffen für Erdogan
EU beschließt Sanktionen wegen türkischer Bohrungen - Deutschland liefert »Ware für den Maritimen Bereich«
Es geht um einen potenziellen Gewinn von über 40 Milliarden Euro: Derzeit streiten sich Zypern und die EU mit der Türkei um die riesigen Erdgasvorkommen im Mittelmeer. Die Türkei hatte in den vergangenen Wochen mehrere Schiffe entsandt, um dort eigenständig nach dem Rohstoff zu bohren - Zypern und die EU betrachten die Erdgassuche der Türkei als illegal. Auf Grundlage des Seerechts der Vereinten Nationen beansprucht die Republik Zypern bis zu 200 Seemeilen um die Küste des Inselstaats herum als »Ausschließliche Wirtschaftszone«. Damit beansprucht die Regierung in Nikosia auch alle Rohstoffvorkommen in dem Gebiet.
Die Türkei hat dieses internationale Abkommen jedoch nie unterschrieben und befürwortet, dass das Seegebiet anhand der Küstenlinie der kontinentalen Festlandmasse aufgeteilt werden soll. Deshalb betrachtet sie die eigene Suche nach Erdgas nicht als illegal, sondern als ihr gutes Recht. Seit der Entdeckung der Erdgasvorkommen vor der zyprischen Küste kommt es immer wieder zu Konflikten um den Zugang zu den Ressourcen. Experten machen den Streit auch für das Scheitern der Friedensgespräche für die geteilte Insel Zypern im Jahr 2017 verantwortlich - seit 1974 hält die Türkei den Norden des Landes militärisch besetzt und ist das einzige Land, das die dort ausgerufene Türkische Republik Nordzypern anerkennt. Die südliche, mehrheitlich griechische Republik Zypern ist dagegen EU-Mitglied. Die Regierung in Nikosia hat in den vergangenen Jahren bereits die internationalen Energiekonzerne Eni, ExxonMobile und Total mit der Ausbeutung der Gasvorkommen beauftragt.
Auch die Weltmeere sind kein unregulierter Raum, in dem einfach das Recht des Stärkeren gilt. Regelungen etwa für Schifffahrt und Fischerei finden sich im Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen von 1982, das im November 1994 in Kraft getreten ist. Demnach gilt außerhalb der nationalen Hoheitsgewässer der Grundsatz der Freiheit der Meere, die als Erbe der Menschheit besonders schützenswert sind.
Detailliert regelt das Übereinkommen auch, was noch zum nationalen Hoheitsgebiet gehört. Wegen der zunehmenden Förderung von Erdgas und Erdöl auf Hoher See versuchten viele Küstenstaaten, immer größere Teile des Meeres und des Meeresbodens unter ihre staatliche Kontrolle zu bringen. Die Befürchtung war, dass die Staaten die Meere irgendwann unter sich aufteilen würden. Das UN-Übereinkommen sieht eine Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) vor, die maximal 200 Seemeilen vor die eigenen Küstengewässer ragt. Überschneiden sich die AWZ zweier Staaten, sollen sich diese auf friedlichem Wege durch bilaterale Verhandlungen einigen oder strittige Fragen vom Internationalen Seegerichtshof in Hamburg juristisch entscheiden lassen.
Daneben wird auch der Festlandsockel zum Hoheitsgebiet gerechnet, der bis zu 350 Seeweilen ins Meer ragen kann. Die Abgrenzung am Meeresboden ist weit problematischer als bei den AWZ, denn selbst Geologen sind sich hierüber oft uneins. In der Arktis sorgen unterschiedliche geologische Messungen derzeit für Gebietsstreitigkeiten.
Über die Gasvorkommen im östlichen Mittelmeer gibt es bereits Einigungen zwischen Zypern, Griechenland, Israel und Ägypten über die Förderung. Ein Abkommen Zyperns mit Libanon ist ausgehandelt, aber noch nicht unterzeichnet. Nikosia beansprucht größere Vorkommen vor der Südküste Zyperns in seiner Ausschließlichen Wirtschaftszone.
Lediglich die Türkei ist außen vor. Zum einen erkennt sie die Republik Zypern gar nicht als Staat an, zum anderen hat Ankara das UN-Übereinkommen nicht unterzeichnet. Die Türkei bestreitet nämlich, dass Inseln überhaupt Rechte auf eine AWZ haben können, und akzeptiert zur Abgrenzung nur den Festlandsockel. Diese Frage sorgt seit vielen Jahren für Konflikte mit Griechenland in der Ägäis, wo einige griechischen Inseln wenige Kilometer vor der türkischen Küste liegen. Athen beansprucht die gesamte Ägäis bis kurz vor die türkische Küstenlinie als Hoheitsgebiet, während Ankara die Grenze in der Mitte der Ägäis zieht. KSte
Schon in der vergangenen Woche hatte die EU gedroht, Sanktionen gegen die Türkei zu verhängen, sollte die nicht einlenken. Nun ist es beschlossene Sache: Unter anderem sollen der Dialog auf hoher Ebene mit Ankara gestoppt, die Verhandlungen über ein Luftverkehrsabkommen ausgesetzt und EU-Gelder für die Türkei gekürzt werden, wie die EU-Außenminister am Montagabend nach einem Treffen mitteilten. Zudem wurde die Europäische Investment Bank aufgefordert, die Konditionen für finanzielle Hilfen an Ankara zu überprüfen.
Die türkische Regierung reagierte prompt: »Die beschlossenen Maßnahmen werden keine Auswirkung auf die Entschlossenheit der Türkei zur Fortsetzung ihrer Kohlenwasserstoffaktivitäten im östlichen Mittelmeer haben«, hieß es aus dem türkischen Außenministerium.
Gleichzeitig geht aus einer Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums auf eine Anfrage der stellvertretenden Vorsitzenden der Linksfraktion, Sevim Dagdelen, hervor, dass die Türkei in den ersten vier Monaten dieses Jahres Kriegswaffen für 184,1 Millionen Euro aus Deutschland erhalten hat. In der Rangliste der wichtigsten Empfängerländer steht der NATO-Partner damit wie schon im Vorjahr mit großem Abstand an erster Stelle.
Bei den Waffen für die Türkei handelt es sich den Angaben zufolge ausschließlich um »Ware für den maritimen Bereich«. Es ist wahrscheinlich, dass es um Material für sechs U-Boote der Klasse 214 geht, die in der Türkei unter maßgeblicher Beteiligung des deutschen Konzerns ThyssenKrupp gebaut werden. Die Bundesregierung hatte die Lieferung von Bauteilen bereits 2009 genehmigt und den Export mit einer sogenannten Hermes-Bürgschaft in Höhe von 2,49 Milliarden Euro abgesichert.
Seit dem gescheiterten Militärputsch von 2016, der sich am Montag zum dritten Mal jährte, wurden solche Bürgschaften für Kriegswaffenexporte in die Türkei nicht mehr erteilt. Die Lieferungen an die Türkei machten schon im vergangenen Jahr mit 242,8 Millionen Euro fast ein Drittel aller deutschen Kriegswaffenexporte aus. In den ersten vier Monaten dieses Jahres waren es sogar 60 Prozent des Gesamtvolumens von 305,8 Millionen Euro. Mit Agenturen
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