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Anhebung auf 15 Dollar: US-Parlament stimmt für höheren Mindestlohn
Repräsentantenhaus will für Gesetz stimmen das den Mindestlohn bis 2024 schrittweise anheben wird
Vor sieben Jahren begann die Kampagne für einen Mindestlohn von 15 US-Dollar in den USA, hat sie einen wichtigen Meilenstein zum endgültigen Erfolg genommen. Als 2012 die ersten Aktivist*innen und Fast-Food-Beschäftigte in New York City eine Verdoppelung der Mindestvergütung forderten, wurde das noch als radikale Forderung belächelt. Doch die Kampagne hat sich in den letzten Jahren immer weiter ausgebreitet und war bereits in verschiedenen Städten und Bundesstaaten erfolgreich.
Erst waren es die liberalen Hochburgen Seattle und San Francisco, dann der ganze Staat Kalifornien und später Massachussets, New York und Washington DC, die einen Mindestlohn in Höhe von 15 Dollar beschlossen. Als letzter kam im Januar der »Garten«-Staat New Jersey dazu. Doch bald könnte die Marke in den gesamten USA gelten.
Am Donnerstagabend hat das US-Repräsentantenhaus nun mit 231 zu 199 Stimmen - darunter auch drei Republikaner - den »Raise The Wage Act« verabschiedet. Nur sechs Demokraten aus Wechselwählerbezirken stimmten gegen das Gesetz. Initiator Bobby Scott hatte schon 2015 erfolglos eine ähnliche aber weniger ambitionierte Variante des Gesetzes eingebracht. Nachdem die Demokraten bei den Midterm-Wahlen im letzten November die Mehrheit im »House« zurückeroberten, brachte der Abgeordnete aus dem 3. Kongresswahlbezirk im US-Bundesstaat Virginia seinen nun auf einen auf den Wert von 15 Dollar verschärften Gesetzesentwurf im Januar erneut ein.
205 Abgeordnete der Demokraten hatten vorher offiziell das Gesetz unterstützt. Mindestens 219 Stimmen waren nötig, um das Gesetz zu verabschieden, aktuell stellen die Demokraten 235 Abgeordnete im Repräsentantenhaus. »Wir sind zuversichtlich, dass wir genügend Stimmen haben«, hatte Stephanie Lalle, Sprecherin von Scott zuvor gegenüber »nd« erklärt. Die Forderung sei schließlich ein »wichtiger Programmpunkt« der Demokraten.
Die Demokratenvorsitzende Nancy Pelosi hatte das Projekt den Wähler*innen der Demokraten schon im Mai 2017 versprochen, sollte man die Mehrheit in der unteren Parlamentskammer zurückerlangen. In Umfragen sprachen sich eine Mehrheit der Amerikaner für das Projekt aus, auch in den für zukünftige Mehrheiten im Parlament wichtigen Wechselwählerbezirken wollten das laut einer Umfrage vom März 65 Prozent aller Wähler.
In den letzten Wochen und Monaten hatten sich vor allem Abgeordnete vom eher moderaten und konservativen Flügel der Demokraten sowie solche aus eher ärmeren ländlichen Wahlkreisen gegen das Projekt ausgesprochen. Die Demokratin Terri Sewell aus Alabama etwa hatte befürchtet, dass abseits der großen Metropolen und Wirtschafts- und Wirtschaftswachstumszentren des Landes, in denen die Lebenshaltungskosten auch geringer sind, lokale Unternehmen keinen höheren Mindestlohn zahlen könnten. Sie hatte deswegen einen alternativen Gesetzesentwurf eingebracht, der statt einer landesweit gleichen Lohnuntergrenze lokal angepasste Mindestlöhne erlauben würde. Nun aber will sie doch für den Raise Wage Act stimmen. Ein Zusatz zum Gesetz nachdem mögliche Jobverluste im Zuge einer Evaluation einige Jahre nach Einführung der Erhöhung untersucht werden sollen, um wenn nötig »Anpassungen« vorzunehmen, hat die moderaten Demokraten offenbar überzeugt. Ein Änderungsantrag moderater Demokraten, der vorsah das der Mindestlohn nicht für Unternehmen mit weniger als 10 Beschäftigten oder weniger als einer Million Dollar Umsatz gelten sollte, wurde Donnerstagnacht abgelehnt. Nur 14 Demokraten stimmten für ihn.
Laut dem Gesetz soll der Mindestlohn sofort nach Verabschiedung auf 8,55 Dollar steigen und dann in sechs jährlichen Schritten bis 2024 auf 15 US-Dollar. Anschließend soll er jährlich gekoppelt an das Durchschnittseinkommen erhöht werden, sollte dieses steigen. Aktuell liegt der landesweite Mindestlohn bei 7,25 Dollar, er wurde seit mehr als zehn Jahren nicht mehr angepasst – es ist der längste Zeitraum ohne Erhöhung seit seiner Einführung im Zuge der New-Deal-Gesetzgebung 1938. Bundessstaaten können zusätzlich eigene höhere Mindestlöhne beschließen, zahlreiche Bundesstaaten haben das in den letzten Jahren auch getan, doch in 18 weitgehend republikanisch dominierten Bundesstaaten gilt nur die bundesweite Lohnuntergrenze von 7,25 Dollar.
Und der Raise The Wage Act will auch mit einer weiteren Mindestlohn-Ungerechtigkeit aufräumen. Bisher gilt seit 1996 für Kellner*innen und alle anderen Arbeiter*innen, die Trinkgelder erhalten, nur ein Mindestlohn von 2,13 Dollar pro Stunde. Die von der Restaurantlobby propagierte Sonderregelung war 1996 eingeführt worden, um die Zustimmung der Republikaner zu einer Mindestlohnerhöhung zu erreichen. Trinkgeldarbeiter*innen würden mit dem freiwilligen Extrageld der »Tips« den Mindestlohn erreichen, lautete damals die Argumentation. Weil das aber längst nicht überall der Fall ist, soll mit dem neuen Mindestlohn der niedrigere Mindestlohn für »tip worker« schrittweise abgeschafft werden.
Die Auswirkungen der geplanten Mindestlohnerhöhung würde vermutlich die Löhne von 27 Millionen Amerikaner*innen erhöhen und gleichzeitig 1,3 Millionen US-Bürger*innen aus der Armut hieven. Das hat eine letzte Woche veröffentlichte offizielle Analyse der Ökonmen des Congressional Budget Office (CBO) ergeben. Doch die Analysten des US-Kongresses, die die finanziellen Auswirkungen von Gesetzesprojekten bewerten, sagen auch, es könnten bis 2025 auch maximal 1,3 Millionen US-Bürger*innen durch die Mindestlohnerhöhung ihren Job verlieren – doch ob das eintritt ist laut den CBO-Ökonomen sehr unsicher.
Progressive Ökonomen haben in den letzten Monaten und Jahren mit Studien über Städte, in denen es in den letzten Jahren deutliche Mindestlohnerhöhungen gab, gezeigt, dass der Jobverlust bei nahezu null lag beziehungsweise kaum nennenswert war. Das gilt laut neueren Daten offenbar auch für eher ländliche Gegenden. Sie weisen auch darauf hin, dass in Zeiten von Rekordbeschäftigung nicht Jobverlust oder -quantität, sondern deren geringe Entlohnung das Problem ist. Große US-Unternehmen wie Amazon und Walmart haben kürzlich ihren Lohn auf mindestens 15 Dollar angehoben, weil sie in Zeiten von annähernder Vollbeschäftigung kaum noch Arbeiter*innen finden.
Der Initiator des Gesetzes sieht seine Position bestätigt. Der »Nutzen überwiege bei Weitem potenzielle Nachteile«, heißt es aus dem Abgeordnetenbüro von Scott gegenüber »nd«. Selbst wenn man mögliche Jobverluste berücksichtige, verbessere er die Situation von »95 Prozent aller amerikanischen Niedriglohnarbeiter«.
Nach Jahren der Fundamentalopposition erklärte auch die US-Handelskammer kürzlich man könne sich eine Mindestlohnerhöhung vorstellen, nicht 15 Dollar, aber zumindest einen in »zweistelliger Höhe«. »Wenn das Repräsentantenhaus einen 15-Dollar-Mindestlohn beschließt, ist das eine Totgeburt, die im Senat keine Chance hat«, so Neil Bradley, Chef-Politikanalyst der Industrievertreter. Die obere Parlamentskammer ist derzeit mit 53 zu 47 Stimmen republikanisch dominiert. »Wenn sie mit uns über das Gesetz reden wollen, bin ich gerne bereit dazu«, so die Reaktion von Bobby Scott. Doch der Demokrat lässt auch durchblicken: Viele Zugeständnisse will er nicht machen.
Die Demokraten und Aktivist*innen wollen stattdessen 2020 mit einer vom Repräsentantenhaus beschlossenen Mindestlohnerhöhung Wahlkampf machen beim Kampf um die Vorherrschaft im Senat und die Ablösung von Donald Trump. Dessen Berater haben durchblicken lassen das der US-Präsident vermutlich kein Gesetz zur Mindestlohnerhöhung unterzeichnen wird. Man werde das Thema vor allem in republikanisch dominierten Wahlkreisen und Bundesstaaten im Land zum Thema machen, heißt es von der SEIU. Die in den letzten Jahren stark gewachsene Service-Arbeitergewerkschaft trommelt gerade unter ihren Mitgliedern und Unterstützern dafür Abgeordnete anzurufen und eine Unterstützung für das Gesetz zu verlangen und hat in der Vergangenheit die Protestkampagne und Streiks für den 15-Dollar-Mindestlohn mitorganisiert.
In Maine, Colorado und Arizona und vielleicht sogar in North Carolina oder Georgia könnten die Demokraten nächstes Jahr die Senatswahlen gewinnen. Aktuell unterstützen nur 31 US-Senatoren den von Bernie Sanders im Senat eingebrachten »Raise TheWage Act«. »Wir wollen sie davon überzeugen das der politische Preis, den sie zahlen, wenn sie gegen das Gesetz stimmen, es nicht wert ist«, sagt SEIU-Präsidentin Mary Kay Henry über die Senatoren der Republikaner. Die SEIU-Aktivisten können darauf verweisen, dass in Umfragen auch eine Mehrheit der Anhänger der Republikaner*innen einen 15-Dollar-Mindestlohn will und mehrere eher konservative Bundesstaaten in den letzten Jahren bei Volksabstimmungen mehrheitlich für Mindestlohnerhöhungen gestimmt haben. Zuletzt geschah das bei den Zwischenwahlen im Herbst vergangenen Jahres in Arkansas und Missouri.
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