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Sozialdemokraten zwischen Rebellion und Anpassung

Die SPD-Spitze ruft zur Zusammenarbeit mit von der Leyen auf, obwohl ihre Abgeordneten gegen die künftige Kommissionschefin gestimmt haben

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.

Es war einer der wenigen rebellischen Momente der deutschen Sozialdemokraten in der jüngsten Vergangenheit. Am Dienstagabend votierten die 16 SPD-Abgeordneten im EU-Parlament nach eigenen Angaben in einer geheimen Abstimmung dagegen, dass Ursula von der Leyen neue Vorsitzende der Europäischen Kommission wird. Letztlich hat sich die CDU-Politikerin aber knapp durchsetzen können.

Der sozialdemokratische Parlamentarier Dietmar Köster kritisierte nach der Wahl, dass das Prinzip, wonach nur ein Spitzenkandidat Kommissionschef werden könne, nun vor dem Aus stehe. Auch inhaltlich übte Köster Kritik an von der Leyen. Ihre sozialpolitischen Zusagen seien nicht glaubhaft. »Dass sie sich zu Fragen des Friedens und der Abrüstung nicht äußert, ist inakzeptabel«, monierte der SPD-Mann. Bei den Themen Flucht und Migration habe von der Leyen zwar das Sterben im Mittelmeer bedauert, zu den notwendigen Maßnahmen aber konsequent geschwiegen. Kein Wort habe sie »zu einer solidarischen Neuordnung des Dublin-Verfahrens oder dem notwendigen Seenotrettungsprogramm der EU« verloren.

Doch diese Kritik wird von Parteilinken wie Köster nicht aus einer Position der Stärke heraus geübt. Vielmehr hat die SPD nach ihrem Absturz bei der Wahl im Mai in der EU viel Einfluss verloren. Nur etwa ein Drittel der 153 Sozialdemokraten im EU-Parlament stimmte gegen von der Leyen.

In der Fraktion geben seit der EU-Wahl Sozialdemokraten aus anderen Ländern den Ton an. So mussten die Deutschen kürzlich den Fraktionsvorsitz an die Spanier abgeben, die 20 Abgeordnete stellen. Neue Chefin ist Iratxe Garcia Perez. Sie folgte auf den SPD-Mann Udo Bullmann, der nicht ganz freiwillig einen Rückzieher gemacht hatte, und ist eine enge Vertraute des spanischen Regierungschefs Pedro Sánchez.

Dieser hatte den Deal der Staats- und Regierungschefs mit ausgehandelt, wonach von der Leyen den Vorsitz der Kommission übernehmen soll. In der Fraktion konnte sich Sánchez offensichtlich auf seine Landsleute verlassen. »Wir haben beschlossen, dass das jetzt der Moment ist, sich verantwortungsvoll zu verhalten«, sagte Garcia Perez am Mittwoch zum Abstimmungsverhalten der Mehrheit ihrer Fraktion. Die Führung der sozialdemokratischen Fraktion hatte eine Wahlempfehlung für von der Leyen abgegeben.

Nun erwartet offensichtlich die SPD-Bundesspitze, dass ihre Abgeordneten im EU-Parlament der neuen Kommissionsvorsitzenden entgegenkommen, die ihr Amt am 1. November antreten wird. Der kommissarische Parteivorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel verteidigte im ZDF-»Morgenmagazin« zwar das Abstimmungsverhalten seiner Parteikollegen, erklärte zugleich aber auch, dass die Sozialdemokraten zur Zusammenarbeit mit von der Leyen bereit seien. Die SPD habe die klare Ansage gemacht, »wenn dieser Weg beschritten wird, dass wir den dann auch nach unseren Kräften unterstützen«.

Noch deutlicher wurde Außenminister Heiko Maas. Der SPD-Politiker meinte, in der Rede von der Leyens ein »klares Bekenntnis zu Rechtsstaatlichkeit und zu einem sozialen, solidarischen und souveränen Europa« erkannt zu haben. »Das ist die richtige Agenda für die EU, daran wird sie sich messen lassen müssen«, sagte Maas am Dienstagabend in Berlin. »Die Welt wartet nicht auf Europa. Darum ist es zentral, den Blick nach vorne zu richten und das Programm der neuen Kommission zügig weiterzuentwickeln.«

Innerhalb der SPD wurde auch Kritik am Abstimmungsverhalten der eigenen EU-Abgeordneten geübt. Der brandenburgische Ministerpräsident Dietmar Woidke, der sich in einem schwierigen Landtagswahlkampf befindet, war nach der Wahl von der Leyens erleichtert. »Ich bin froh, dass es zu keiner Hängepartie gekommen ist. Das hätte nur den Anti-Europäern genutzt«, teilte Woidke mit.

Wenn von der Leyen wegen des Widerstands der SPD durchgefallen wäre, hätte dies auch die ohnehin angespannte Stimmung in der Bundesregierung weiter verschlechtert. Nun sah Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus lediglich »Klärungsbedarf« bei den Sozialdemokraten und kündigte Gespräche wegen deren Widerstand gegen die CDU-Kandidatin an. »Aber wir müssen natürlich auch nach vorne schauen, weil wir als Koalition noch wichtige Aufgaben vor uns haben, gerade im Herbst«, erklärte der CDU-Politiker im ZDF-»Morgenmagazin«.

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