- Politik
- Fridays for Future
Mannheim hebt Bußgeldbescheide gegen klimastreikende Schüler auf
Mannheim. Nach heftiger öffentlicher Kritik hat die Stadt Mannheim zuvor verhängte Bußgeldbescheide wegen Schulschwänzens gegen klimastreikende Schüler wieder aufgehoben. Die Stadt habe sich »in diesen konkreten Fällen nach umfassender Prüfung dazu entschlossen, diese Bußgelder wieder aufzuheben«, teilte die Kommune am Donnerstag mit. Die Fälle seien »zunächst routinemäßig bearbeitet worden«. Zudem hätten »die Betroffenen nicht von ihrem Recht Gebrauch gemacht, sich zum Sachverhalt zu äußern«.
Daher sei »die Besonderheit dieser Fälle im Vergleich zum klassischen Schulschwänzen nicht aufgefallen«, hieß es weiter. »Die vier Bußgeldbescheide sind noch nicht rechtskräftig - mit der Aufhebung der Bescheide entfällt auch die Zahlungspflicht.«
Die Bewegung Fridays for Future hatte die nach ihren Angaben ersten Fälle dieser Art zuvor bekannt gemacht. Das Ordnungsamt der baden-württembergischen Stadt verlangte jeweils 88,50 Euro für zwei versäumte Schulstunden nach einer Demonstration im Mai.
Die Bewegung sprach von einem »nicht nachvollziehbaren« Verhalten der zuständigen Behörden. Sie versuchten, »legitimen Aktionismus mittels Bußgeldbescheiden zu unterbinden«, erklärte ein Sprecher der Mannheimer Ortsgruppe der bundesweit aktiven Organisation. Diese hätten im Fall der Schüler vom Mannheimer Sophie-Scholl-Gymnasium »anscheinend« nicht verstanden, »dass die Klimafrage immer mehr zur Existenzfrage der jüngeren Generationen wird«.
»Weil gegen die Schulpflicht verstoßen worden war, waren die Verfahren im Zuge der Bearbeitung der allgemeinen Ordnungswidrigkeit formal korrekt - aber nicht geboten«, erklärte die Stadt Mannheim nun. »Daher stellte die Ordnungsbehörde nach erneuter Prüfung fest, dass die Schule vorab nicht alle Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen ergriffen hatte, die ihr zur Verfügung stehen - insbesondere in diesem nicht klassischen Fall von Schulschwänzen.«
Fridays for Future rief weitere Betroffene bundesweit auf, sich im Fall von Bußgeldbescheiden zu melden, und versprach Hilfe - unter anderem durch ein eingerichtetes Rechtshilfekonto. Fälle müssten zudem öffentlich gemacht werden. »Wir stehen hinter der allgemeinen Schulpflicht, die wir als Privileg betrachten - aufgrund der Klimakrise sehen wir uns allerdings dazu genötigt, zivilen Ungehorsam auszuüben«, erklärte die Klimaschutzbewegung.
Unterstützung erhielten die Aktivisten von der Linken im baden-württembergischen Landtag. Das Verhalten der Behörden sei »ungeheuerlich«, erklärten der für den Bereich Mannheim zuständige Abgeordnete Gökay Akbulut am Donnerstag. »Schülerinnen und Schüler von Fridays for Future sollen in ihrem politischen Engagement eingeschränkt werden.«
Die baden-württembergische Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) zeigte hingegen Verständnis für das Verhängen der Bußgelder. »Wer demonstriert und die Schule regelmäßig verpasst, der muss mit Bußgeldern rechnen«, sagte sie im Südwestrundfunk. »Ziviler Ungehorsam heißt auch, Konsequenzen zu tragen.«
Seit Monaten demonstrieren vor allem junge Menschen in Deutschland und anderen Ländern weltweit einmal pro Woche am Freitag, um gegen ausbleibende Klimaschutzmaßnahmen zu protestieren. In Deutschland laufen die Proteste unter der Bezeichnung Fridays for Future und werden von einer gleichnamigen Bewegung koordiniert. Die Aktivitäten lösten ein erhebliches Echo in der Politik aus.
Angesichts der weiter anhaltenden Streiks hatte es zuletzt wieder vermehrt Debatten um den Umgang mit teilnehmenden Schülern gegeben, denen Kritiker Schulschwänzerei vorwerfen.
Der Präsident der Kultusministerkonferenz, Hessens Bildungsminister Alexander Lorz (CDU), hatte jüngst gesagt, er rechne nach dem Sommerferien mit Strafen. Die Proteste hätten ihr Ziel erreicht, es bringe nichts, »noch weiter der Schule fern zu bleiben«, sagte er der Wochenzeitung »Zeit«. Teilnehmer müssten die Konsequenzen tragen. AFP/nd
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.