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Wieder kein Fortschritt im Klimakabinett
71 Prozent sprechen sich in Umfrage für deutlich höhere Steuer auf Flugtickets aus
Berlin. Nach der Sitzung des Klimakabinetts vom Donnerstagabend haben sich keine Fortschritte im Ringen um eine gemeinsame Linie der Bundesregierung abgezeichnet. «Da ist noch eine Menge Arbeit vor uns», erklärte Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) anschließend in Berlin. Sie sprach von einer «intensiven Diskussion zur CO2-Bepreisung.
Die Beratungen des Klimakabinetts im Kanzleramt wurden von Protesten begleitet. »Haltet uns nicht länger hin«, stand auf Transparenten von Demonstranten sowie »Genug geredet - Klimaschutz jetzt!« Umweltschützer warfen besonders Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) eine Verzögerungstaktik vor. Die Naturschutzorganisation BUND zeigte sich auf dem Kurznachrichtendienst Twitter verärgert über »fehlende konkrete Ergebnisse« des Klimakabinetts: »Einziges Ergebnis: die Klimabewegung wächst und wächst«, schrieben die Umweltschützer und riefen zu den Fridays-for-Future-Demonstrationen am Freitag auf.
In der Bundesregierung gibt es parteiübergreifend eine Bereitschaft zur Einführung einer CO2-Bepreisung auch in weiteren Bereichen wie Verkehr oder Gebäudeheizungen. Uneinigkeit besteht allerdings über den Weg dorthin. Während Schulze eine CO2-Steuer befürwortet, neigen Unionspolitiker eher zu einer Ausweitung des Emissionshandels, den es auf europäischer Ebene bisher für Energiewirtschaft und weite Teile der Industrie gibt.
»Ich bin wie alle Gutachter der verschiedenen Ministerien der Meinung, dass wir die Klimaziele ohne einen sozial fairen CO2-Preis kaum erreichen werden«, sagte Schulze nach den Beratungen. Sie bekräftigte auch den Zeitplan der Bundesregierung: »Wir wollen bis zum 20. September das komplette Maßnahmenpaket im Klimakabinett verabschieden.« Bis Jahresende will die Regierung diese Maßnahmen dann gesetzlich festschreiben.
Dem Klimakabinett gehören neben Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die für klimarelevante Bereiche zuständigen Fachminister an. Die CO2-Bepreisung war das zentrale Thema der Beratungen des Gremiums am Donnerstag. Der Sachverständigenrat der sogenannten Wirtschaftsweisen hatte sich vergangene Woche grundsätzlich für eine CO2-Bepreisung ausgesprochen, sich aber nicht auf eine CO2-Steuer oder Emissionshandel als Methode festgelegt.
An den Beratungen am Donnerstagabend nahmen auch der Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, Christoph Schmidt, sowie der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), Ottmar Edenhofer, teil. Schmidt sagte am Freitag im ZDF-»Morgenmagazin« zur CO2-Bepreisung, er persönlich halte den Emissionshandel »für eine gute Wahl«. Allerdings hätten »beide Modelle ihre Tücken«. Eine CO2-Steuer gilt als schneller und einfacher umsetzbar.
Regierungssprecher Steffen Seibert hatte vor der Ministerrunde noch einmal die Bedeutung zusätzlicher Anstrengungen für den Klimaschutz bekräftigt. Dies sei notwendig für das Erreichen des deutschen Klimaziels, die CO2-Emissionen bis 2030 um 55 Prozent verglichen mit 1990 zu senken. Über den CO2-Preis und weitere Maßnahmen soll demnach nun zunächst auf Ebene der Staatssekretäre weiter beraten werden.
Laut dem aktuellsten ZDF-Politikbarometer sind weitgehend unverändert weiterhin 63 Prozent der Deutschen der Meinung, dass bei uns in Deutschland zu wenig für den Klimaschutz getan wird. Eine CO2-Steuer auf fossile Brennstoffe wie Benzin, Diesel, Gas oder Heizöl wird in der Umfrage aber unverändert von einer klaren Mehrheit von 59 Prozent abgelehnt und zwar selbst, wenn es in anderen Bereichen für die Steuerzahler entsprechende Entlastungen gäbe. Nur 38 Prozent aller Befragten sind für eine CO2-Steuer. In allen Partei-Anhängergruppen mit Ausnahme der Grünen erfährt dieser Vorschlag eine eindeutige Ablehnung. Anders sieht es bei Flugtickets aus. Hier fänden 71 Prozent eine deutlich höhere Steuer auf Flugtickets gut und nur 26 Prozent fänden das nicht gut. AFP/nd
Die Umfrage zum Politbarometer wird von der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen durchgeführt. Die Interviews wurden in der Zeit vom 16. bis 18. Juli 2019 bei 1.290 zufällig ausgewählten Wahlberechtigten telefonisch erhoben. Dabei werden sowohl Festnetz- als auch Mobilfunknummern berücksichtigt. Die Befragung ist repräsentativ für die wahlberechtigte Bevölkerung in Deutschland. Der Fehlerbereich beträgt bei einem Anteilswert von 40 Prozent rund +/- drei Prozentpunkte und bei einem Anteilswert von 10 Prozent rund +/- zwei Prozentpunkte.
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