Wie Patientenbriefe helfen können
Informationen für Kranken verständlicher machen
Es gehört zu den Merkwürdigkeiten des deutschen Gesundheitswesens, dass Patienten ihre Ärzte nicht verstehen und es Jahrzehnte dauert, bis sich daran etwas ändert. Unlängst wurde in Berlin eine kleine Studie aus Dresden vorgestellt, die Aufmerksamkeit verdient. Es geht um Patientenbriefe.
Das Medizinerlatein für Patienten unverständlich
Die neuen Patientenbriefe sind Schreiben für die Patienten, in denen steht, was sie haben, was untersucht wurde, welche Medikamente sie nehmen sollen, was diese bewirken und was sie tun können, damit es ihnen besser geht. Und das alles in einer Sprache, die sie verstehen. »Sie bekommen das Medikament OMEP«, steht da zum Beispiel. »Es enthält den Wirkstoff Omeprazol. Omeprazol ist ein Magenschutzmittel. Es verringert die Magensäure im Magen. Nehmen Sie abends eine Tablette OMEP ein.«
Die Ausgangsideen hatten vor achteinhalb Jahren der Informatiker Ansgar Jonietz und die damaligen Medizinstudenten Anja und Johannes Bittner. Sie entwickelten die Website www.washabich.de. Seitdem haben dort mehr als 2000 Ärzte und Medizinstudenten ehrenamtlich mehr als 40 000 ärztliche Befunde in eine leicht verständliche Sprache übersetzt. Die Nachfrage ist hoch. Inzwischen gibt es ein virtuelles Wartezimmer.
Aus dem Studentenprojekt »Was hab' ich« ist ein gemeinnütziges Unternehmen mit acht Beschäftigten geworden. Jonietz ist der Geschäftsführer. Neben den Übersetzungen sind die Patientenbriefe eines ihrer Projekte. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, Thomas Gebhardt (CDU), sagt, für dieses Projekt trete er als Botschafter gern ein. Das Ministerium hat die Studie gefördert.
Bis zu 97 Prozent bewerteten Patientenbriefe als »hilfreich«
Von 2015 bis 2018 lief die Pilotphase in der Paracelsus-Klinik in Bad Ems in Rheinland-Pfalz. Alle Patienten der internistischen Abteilung wurden mit einem Patientenbrief entlassen. Die Studienteilnehmer waren im Schnitt 70 Jahre alt und damit älter und weniger gesund als der Bevölkerungsdurchschnitt - die perfekte Zielgruppe.
Das Ergebnis: 97 Prozent der Befragten bewerteten den Patientenbrief als informativ, verständlich und hilfreich. An ein ausführliches Entlassungsgespräch erinnerten sich hingegen nur 20 Prozent der Befragten. 80 Prozent sagten, es habe ein solches Gespräch gar nicht oder nur sehr kurz gegeben.
Dass ihnen die Untersuchungsergebnisse verständlich erklärt worden sind, sagten 64 Prozent der Patienten mit Brief und nur 42 Prozent derer, die den Brief noch nicht hatten. Die Unterschiede sind am größten, wenn die Patienten gefragt wurden, ob sie sich über etwas »voll und ganz« informiert fühlen, egal ob es um Medikamente ging, die Diagnose oder eine Behandlung. »Einigermaßen« informiert fühlte sich ein Viertel bis ein Drittel der Befragten.
Umgang mit Informationen ist für die meisten schwierig
Der Umgang mit Informationen zu ihrer Gesundheit ist generell für mehr als die Hälfte der Patienten schwierig. Damit Menschen wieder gesund werden oder mit ihrer Krankheit leben lernen, ist es aber entscheidend, dass sie verstehen, was mit ihnen los ist. Anders ausgedrückt: 80 Prozent der Informationen sind vergessen, sobald die Tür des Arztzimmers hinter einem Patienten zufällt.
Notwendig sind eine verständliche Sprache und eine schriftliche Weitergabe der wichtigsten Informationen. Das wird mit den Patientenbriefen gewährleistet. Die Gesundheitsministerkonferenz forderte vor einem Jahr in Düsseldorf, dass ein Patient bei jeder Klinikentlassung nicht nur einen Arztbrief, sondern auch einen Patientenbrief erhalten soll.
Das Dresdner Unternehmen arbeitet seit 2017 an einer automatisierten Erstellung und damit massentauglichen, kostengünstigen Lösung für den deutschlandweiten Einsatz von Patientenbriefen. Seit einiger Zeit erhalten Patienten im Herzzentrum Dresden die ersten automatisch erstellten Briefe. Für eine Übertragung auf den ambulanten Sektor läuft ein Pilotprojekt mit einer Praxis für Hals-Nasen-Ohren-Erkrankungen.
Der Patientenbrief sei kein Projekt für die Schublade, sagt Geschäftsführer Jonietz. Das Ziel sei, dass in naher Zukunft alle Patienten einen Patientenbrief erhalten. Er helfe ihnen, selbstbestimmter mit ihrer Gesundheit umzugehen. epd/nd
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.