- Politik
- Pedro Sánchez
Sánchez fällt wieder durch
Spaniens sozialdemokratischer Ministerpräsident scheitert im zweiten Durchgang krachend
Der Ton zwischen der spanischen Linkskoalition Unidas Podemos (UP) und Sozialdemokraten (PSOE) war schon vor der ersten Abstimmung am Montag sehr hart. So war absehbar, dass der Sozialdemokrat Pedro Sánchez auch im zweiten Wahlgang am Donnerstag scheitern würde und damit der Versuch, erstmals seit der Franco-Diktatur eine Koalitionsregierung in Spanien zu bilden. Wie im Nachbarland Portugal könnte eine Linksregierung Verbesserungen für die breite Bevölkerung umsetzen und zentrale Probleme angehen, wie den Konflikt in Katalonien. Doch Misstrauen, fehlende Dialogbereitschaft, Überheblichkeit, Vetos - vor allem vonseiten der PSOE - haben das verhindert.
Obwohl Sánchez keine absolute Mehrheit mehr brauchte, fiel er durch, da sich UP erneut enthielt. Nach Ansicht der Linken habe er die Angebote kaum verbessert. So konnte Sánchez wie am Montag nur einen Parlamentarier einer Regionalpartei aus Kantabrien hinter sich bringen und erhielt erneut nur 124 Ja-Stimmen. Er bekam mit 155 Nein-Stimmen bei 67 Enthaltungen nur etwas weniger Ablehnung, da sich die Republikanische Linke Kataloniens (ERC) als Geste und mit »enormer Verantwortlichkeit« enthielt, wie ERC-Sprecher Gabriel Rufián betonte.
Die ERC hätte gute Gründe gehabt, am Nein festzuhalten. Nur wäre Sánchez dann auch gescheitert, hätte UP mit Ja gestimmt. Denn ERC-Chef Oriol Junqueras sitzt nicht als Abgeordneter im Plenum, sondern im Gefängnis. Das Ministerium für Staatsanwaltschaft und der juristische Dienst der Sánchez-Regierung halten an Anschuldigungen wie Rebellion und Aufruhr rund um das Unabhängigkeitsreferendum im Oktober 2017 auch gegen ihn fest. Mit Tricks wurde sogar die Immunität von vier katalanischen Abgeordneten ausgehebelt, die nicht abstimmen konnten. So hätte Sánchez noch einfacher gewählt werden können. Sánchez Rede war auf Neuwahlen ausgelegt. Er, der lange Veto nach Veto gegen die Vorstellungen der UP aussprach, gab nun der Linkspartei- Koalition die Schuld, eine »progressive Regierung« verhindert zu haben. »Unter den linken Kräften hätte die Investitur ab dem ersten Moment garantiert sein müssen«, sagte er so, als müssten die Linksparteien ihn wählen, damit die Rechte nicht erneut an die Macht kommen kann.
Der UP-Chef Pablo Iglesias warf Sánchez vor, ihm habe stets der »Respekt« vor der Linken gefehlt. Es sei schwierig an einem Wochenende eine Koalition auszuhandeln, »nachdem 80 Tage« nichts passiert war. Iglesias machte ihm in seiner Rede erneut ein Angebot. Er zeigte sich sogar bereit, auch auf das Arbeitsministerium zu verzichten. Er streckte Sánchez erneut seine Hand entgegen. Er will Neuwahlen vermeiden und in den verbleibenden zwei Monaten noch ein Abkommen schließen, bevor die vierten Neuwahlen in vier Jahren im November unvermeidlich werden.
Der ERC-Sprecher Gabriel Rufián ging mit Sánchez und Iglesias hart ins Gericht. Beide würden diesen Tag noch bereuen, sagte er. Sánchez, weil er real auf Enthaltung der rechten Volkspartei (PP) und der national-neoliberalen Ciudadanos (Cs) gesetzt habe, statt Iglesias ein Ministerium zu geben. Iglesias werde »für vier Ministerien vier Jahre« verlieren, warf ihm Rufián vor. Der hatte aber auf ein Ministerium nach dem Sánchez-Veto verzichtet, um ein Bündnis zu fördern. Die Ablehnung des PSOE-Angebots nütze nur Rechten und Ultrarechten, die sogar »mit den Ohren« applaudierten, »total erfreut« seien, erklärte Rufián. »Die hätten jetzt sogar schon Zusatzgehälter ausgehandelt«, erklärte er mit Blick auf die PP, deren Politiker sich nach Sánchez Scheitern bereits wieder nahe an den Fleischtöpfen sehen. Korruptionsskandale der PP führten dazu, dass deren Regierung im vergangenen Jahr stürzte und Sánchez über ein konstruktives Misstrauensvotum Regierungschef werden konnte.
Für die Baskisch-Nationalistische Partei (PNV), die Sánchez ein Ja signalisiert hatte, kritisierte Aitor Esteban vor allem Sánchez, dass der zu viel Zeit verloren hat, um mit dem »unerlässlichen Partner« UP zu verhandeln. Auch er hofft, dass sich die Widersprüche im August doch noch lösen lassen.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.