- Kommentare
Der reinste Reingewinn
Verluste sozialisieren und Gewinne privatisieren - nach diesem Motto hat der Neoliberalismus uns schon mehr als vierzig Jahre geplagt, findet Lucas Zeise . Mit der »Kryptowährung« Libra wird dieses Prinzip auf eine höhere Stufe gehoben.
Dass die Bitcoins kein Geld sind, hat sich inzwischen herumgesprochen. Mit dieser sogenannten Kryptowährung kann ich zwar prinzipiell bezahlen. Allerdings werden Bitcoins weder an der Tankstelle noch bei Discountern und Supermärkten als Zahlungsmittel etabliert. Auch der Gebrauchtwagenmarkt kommt ohne sie aus. Ein Grund dafür ist, dass der Zahlungsvorgang viel zu kompliziert ist. Der andere ist, dass die Währung viel zu instabil ist. Der oder die Erfinder der Bitcoins wollten zwar eine Währung schaffen - und zwar eine, die dank der »Blockchain«-Technik von den Banken und vom Staat unabhängig ist. Geschaffen haben sie aber nur ein Spekulationsobjekt, dessen beste Zeiten bereits vorbei sind.
Da ist die Ankündigung des Facebook-Gründers und -Eigentümers Mark Zuckerberg schon von anderer Sorte. Im vorigen Monat kündigte er eine eigene Währung an, »Libra« (lateinisch: Waage und Pfund) genannt. Sie soll es, so sagt er, den Milliarden Menschen, die über wenig US-Dollar und nicht einmal ein Bankkonto verfügen, möglich machen, über ihr smartes Handy, über das sie natürlich verfügen, zu bezahlen. Der Zahlungsvorgang wird dann von einem Konsortium mit Facebook an der Spitze abgewickelt. Dazu wird - wie bei den Bitcoins auch - die »Blockchain«-Technik verwendet. Nur, anders als die Bitcoins, deren Preis in US-Dollar oder Euro gerechnet wild schwankt, soll die Libra wertbeständig sein, weil Zuckerberg und Konsorten in genau festgelegten Verhältnissen jede Libra mit US-Dollar, Euro, Pfund (hier das englische), Yen und Schweizer Franken unterlegen und dafür auch die Garantie übernehmen.
Noch ist die Sache nicht so weit. Aber Zuckerberg hat behauptet, dass die tolle Sache schon im nächsten Jahr losgehen soll. Im von ihm versammelten Konsortium finden sich illustre und gewiefte Adressen wie zum Beispiel Microsoft, Uber, Paypal, Vodafone, Ebay und die beiden großen Kreditkartenfirmen Visa und Mastercard.
Dass ein gewisser Bedarf an effizienten Zahlungssystemen besteht, ist nicht zu leugnen. Überweisungen innerhalb Deutschlands funktionieren nicht schlecht, aber ins Ausland sind sie oft umständlich, langsam und teuer. Das internationale Zahlungsnetzwerk »Swift« im Besitz von 11 000 Banken ist, wie die Banker selber sagen, technisch verbesserungsfähig. Es steht außerdem, wie die Auseinandersetzung um die Sanktionen gegen Iran wieder einmal gezeigt hat, unter der Kontrolle der Regierung in Washington.
Die westlichen Notenbanker sind von Zuckerbergs Plänen nicht begeistert. Sie schwafeln von der Notwendigkeit, die neue, schöne Währung strikt zu regulieren. Aber sie lehnen die potenzielle Konkurrenz nicht rundweg ab. Noch weniger die Politiker. Das Geld selbst zu privatisieren, passt in ihr Weltbild. Der von Zuckerberg mit dem Libra-Projekt beauftragte David Marcus wurde im US-Kongress höflich angehört. Die Gefahr besteht durchaus, dass die Truppe um Facebook mit ihren Plänen Erfolg haben wird.
Die Gefahr ist allerdings für Entwicklungsländer mit einer schwachen Währung und ineffizienten Zahlungssystemen viel größer. Dort wird ohnehin oftmals neben und statt der heimischen Währung in der Weltwährung US-Dollar, gelegentlich wohl auch in Euro abgerechnet und bezahlt. Auf diese Länder zielt das neue Konsortium. Eine Regulierung der Facebook-Truppe durch die imperialen Zentralbanken würde die Sache nicht besser machen. Dabei geht es nicht um die Daten, wie vielfach kritisiert wird. Die hat Facebook bereits und macht Geschäfte damit.
Es geht um den Notenbankgewinn, die »Seigniorage«, die früher der Fürst einsteckte, der die Münzen prägen ließ. Jeder Kunde, der in Libra zahlt, muss diese erst für US-Dollar oder heimische Währung kaufen. Für Zuckerberg und Co. fallen bei der Libra-Ausgabe nicht einmal Druckkosten an. Es ist der denkbar reinste Reingewinn. Den sacken im jetzigen System die staatlichen oder - wie im Fall der USA - die den Banken gehörenden, aber staatlich organisierten Notenbanken ein.
Verluste sozialisieren und Gewinne privatisieren. Nach diesem schönen Motto hat der Neoliberalismus uns schon mehr als vierzig Jahre geplagt. Mit Zuckerbergs Libra wird dieses Prinzip auf eine neue, höhere Stufe gehoben.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.