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Staatsversagen mit Methode
In Rumänien führt ein grausamer Mord zu politischen Protesten
Mitte vergangener Woche war die Gymnasiastin Alexandra Măcesanu in der südrumänischen Kleinstadt Caracal mit einem Jungen verabredet. Doch weil seit einigen Jahren kein Bus mehr von ihrem Dorf Dobrosloveni dorthin fährt, musste das Mädchen die sieben Kilometer lange Strecke per Anhalter fahren - und kam nie an.
Alles verlief wie in einem klassischen Horrorfilm. Der Fahrer nahm ihr das Handy weg und sperrte sie in seiner Garage am Stadtrand ein. Obwohl sie vergewaltigt wurde, behielt die 15-Jährige einen kühlen Kopf, profitierte von der kurzen Abwesenheit des Täters, fand ein anderes Mobiltelefon, das der Mann aus Versehen liegen gelassen hatte, und rief die Polizei an. Nicht einmal, sondern mindestens dreimal. Sie gab den Behörden zahlreiche und erstaunlich präzise Details über Tatort, Auto und Fahrer. Doch all dies nutzte ihr nichts: Am Anfang nahm der Polizist am anderen Ende der Leitung sie gar nicht ernst, dann dauerte es fast 20 Stunden, bis die Beamten das Grundstück betraten. Auf dem Hof fanden sie dann nur verbrannte menschliche Knochen.
Zwar konnte der mutmaßliche Täter, ein 66-jähriger pensionierter Automechaniker namens Gheorghe Dincă, noch vor Ort gefasst werden. Die Liste der Fehler, die die Polizei offensichtlich machte, ist allerdings unglaublich. Zunächst stellte sich heraus, dass fast keiner im zuständigen Revier die App für die Ortung von Handys nutzen kann. Dann wurden die wertvollen Hinweise, die das Mädchen gab, gar nicht weiterverfolgt. Erst nach zwölf Stunden konnte mit Hilfe aus Bukarest die Adresse identifiziert werden. Doch anstatt an die Tür zu klopfen, beantragten die Beamten einen in diesem Fall völlig unnötigen Durchsuchungsbeschluss und warteten darauf die ganze Nacht. Die interne Untersuchung dieser Pannen ist bei Weitem nicht abgeschlossen, aber Innenminister Nicolae Moga feuerte kurzerhand den Polizeichef und den Präfekten des Landkreises, um anschließend selber zurückzutreten - obwohl er erst seit sechs Tagen im Amt war.
Die merkwürdige Geste zeigt, wie nervös die sozialdemokratische Regierung in Bukarest auf den medialen Druck reagiert. Im November stehen Präsidentschaftswahlen an, Premierministerin und PSD-Vorsitzende Viorica Dăncilă möchte gerne antreten. Das Letzte, was sie im Moment braucht, ist ein neuer Skandal. Im Jahr 2015 kostete den damaligen Premier Victor Ponta eine Brandkatastrophe in einem Bukarester Club das Amt. Noch halten sich die Proteste gegen die krasse Inkompetenz der Behörden zwar in Grenzen: Vor dem Innenministerium demonstrierten bisher nur wenige Hundert Menschen, denn viele Details der Affäre sind noch völlig unklar. Doch Frust und das Gefühl, im Stich gelassen zu werden, verbreiten sich massiv über die sozialen Medien.
In den nächsten Tagen wird noch zu ermitteln sein, ob Alexandra Măcesanu das einzige Opfer des Täters war oder ob eine andere Schülerin aus der Gegend, die seit Monaten verschwunden ist, das gleiche Schicksal erlitt. Der Notrufdienst wird dann erklären müssen, wieso die Anrufe nicht sofort und automatisch geortet wurden, obwohl das mit der heutigen Technologie unproblematisch und kostenlos möglich ist und kein rumänisches Gesetz dies untersagt. Die Polizei wird sich nicht nur für ihre offenbar mangelhafte Ausbildung, sondern auch für ihr Desinteresse und ihren Sexismus rechtfertigen müssen, denn es ist schon jetzt klar, dass Alexandra auf geschmacklose Ironie stieß, als sie telefonisch über ihre Vergewaltigung berichtete. Schließlich muss noch geklärt werden, ob der mutmaßliche Täter bei seiner Verhaftung und auch danach tatsächlich zusammengeschlagen wurde, wie er behauptet, und ob sein Geständnis in dem Fall überhaupt gültig ist.
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