• Kultur
  • Serie: »When they see us«

Sie müssen leiden

Die Serie »When they see us« erzählt anhand eines realen Falls von den rassistischen Mechanismen in Polizei und Justiz

  • Florian Schmid
  • Lesedauer: 3 Min.

Kaum eine Netflix-Serie hat in den USA politisch solche Wellen geschlagen wie »When they see us«, die vierteilige Geschichte der sogenannten Central Park Five. Es geht um eine Gruppe schwarzer Jugendlicher, die 1989 fälschlicherweise wegen Überfall, Raub und Vergewaltigung vor Gericht gestellt und zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt wurden.

Denn der heutige US-Präsident Donald Trump hatte 1989 als prominente Medienfigur in New York in vier großen Zeitungsannoncen die Todesstrafe für die 15- bis 16-jährigen Kids gefordert. »Ich möchte diese Räuber und Mörder hassen dürfen. Sie müssen leiden.« Mit diesen Worten heizte er damals die in den Medien heftig geführte Debatte um den Prozess an. Und in seinem 2016 geführten Wahlkampf nannte er die 2014 von der Stadt New York an die einstigen Verdächtigen geleisteten Entschädigungszahlungen wegen Justizirrtums »eine Schande«. An dieser Ansicht hat sich nichts geändert, kürzlich wurde Trump von einer Reporterin darauf angesprochen. Entschuldigen will er sich nicht.

Dabei stellte sich 2003, also vierzehn Jahre nach dem Ereignis, der wirkliche Täter. Die Verfahren gegen die fünf mittlerweile Erwachsenen, die zwischen sieben und dreizehn Jahren unschuldig im Gefängnis gesessen hatten, wurden neu aufgerollt und endeten mit Freisprüchen.

Die über weite Strecken beklemmende Serie erzählt die Ereignisse dicht an der Realität entlang. Nach der Vergewaltigung einer weißen Joggerin wurden unzählige schwarze und Latino-Jugendliche in Harlem verhaftet, die an diesem Abend im Central Park waren. In stundenlangen Verhören, bei denen brutale Polizeibeamte vor körperlichen Übergriffen und massiver Einschüchterung nicht zurückschreckten, wurden den fünf Jugendlichen erfundene Geständnisse abgepresst, auf Video aufgenommen und dann in schriftlicher Form fixiert. Auch auf die erst nach Stunden eintreffenden Eltern der Jugendlichen wurde von den zumeist weißen Polizeibeamten massiv Druck ausgeübt.

Das anschließende Verfahren wurde zu einem regelrechten Schauprozess und endete mit hohen Haftstrafen. Dabei wollte die Staatsanwältin ein Exempel statuieren, um gegen Vergewaltigungen vorzugehen. Dass sie bei ihrem Kampf gegen an Frauen verübte Gewalt rassistische und klassistische Herrschaftsverhältnisse nutzte und in der aufgeladenen Stimmung rund um den Prozess feministische Ziele gegen antirassistische ausgespielt wurden, wird in der Serie angerissen, aber leider nicht wirklich kritisch reflektiert.

»When they see us« schlägt in gut vier Stunden dichten Filmgeschehens einen weiten Bogen von den Ereignissen jener Nacht, den Verhaftungen und Verhören über das Gerichtsverfahren bis hin zu den Lebenswegen der Central Park Five während und nach ihrer Haft. Dabei wird klar, wie sehr dieses Ereignis, willkürliche Schuldzuweisungen und rassistische und klassistische Repressionsmechanismen von Polizei und Justiz das Leben der fünf geprägt und ihre Jugend zerstört haben. In einem Ausblick wird sogar wie in einem Traum der Frage nachgegangen: »Was wäre gewesen, wenn das alles nicht passiert wäre?« Und dieser utopische Entwurf wird der verstörenden Gewalt und Brutalität im Gefängnis gegenübergestellt.

»When they see us« zeigt das Funktionieren einer rassistischen Klassenjustiz, wie sie der eine oder andere Zuschauer hierzulande schon in anderen Filmen gesehen hat. Nur ist dies keine fiktive Geschichte, was auch eingestreute Dokumentarschnipsel klarmachen. So sieht man auch das eine oder andere Mal einen jungen Donald Trump in Interviews seine rassistischen Stehsätze herunterleiern. Die in den USA erfolgreiche und viel diskutierte Miniserie unterstreicht, wie grundlegend die dortigen Debatten um Rassismus sind, und kann auf diese Weise auch für die Belange der Bewegung Black Lives Matter sensibilisieren. Zusätzlich zur Serie gibt es eine 90-minütige Sendung von Oprah Winfrey, der wohl bekanntesten (und schwarzen) TV-Moderatorin in den USA, in der die wirklichen Central Park Five als Studiogäste eingeladen sind.

»When they see us«, vierteilige Miniserie, abrufbar auf Netflix.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.