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Wo kracht es das nächste Mal?
Geowissenschaftler versuchen mit historischen Beobachtungsdaten und physikalischen Modellen ein Prognoseverfahren für Vulkanausbrüche zu finden.
Ob Stromboli oder Ätna in Italien, Bárebunga auf Island oder Kilauea auf Hawaii: Vulkanausbrüche sind häufig überraschende, meist höchst gefährliche und immer spektakuläre Ereignisse. Im Fernsehen sieht man meist Bilder von Bergen, über deren Spitze eine Wolke aus Rauch, Asche, Lava und Gestein steht. Doch nicht nur aus einem Hauptkrater ergießt sich das heiße Magma. Auch aus vielen Öffnungen an den Flanken eines Vulkans kann der glühende Strom fließen. Für die Bewohner der talwärts gelegenen Gebiete war dies bislang immer ein unberechenbares Risiko.
Wissenschaftler unter Führung des Geoforschungszentrums Potsdam haben nun versucht, eine Ordnung in diesem eruptiven Geschehen zu entdecken. Als ideales Experimentierfeld erschien ihnen Europas größter Supervulkan, die Phlegräischen Felder. Am Kessel des bei Pozzuoli nahe Neapel gelegenen Flächenvulkans haben sie nach langen Studien ein Modell vorgestellt, nach dem künftige Orte von Eruptionen relativ genau berechnet werden können.
Wie eine Wiese mit Maulwurfshügeln
Bisher gelingt es der Wissenschaft kaum, Naturereignisse mit besonders schweren Folgen vorauszusagen. Über Satelliten-, Ballon- und Erdstationsbeobachtungen kann das Wetter zumindest für die kommenden vier bis fünf Tage vorhergesagt werden, Erdbeben und Vulkanausbrüche jedoch ließen sich bislang weder örtlich noch zeitlich vorausberechnen. Eine jetzt in der Fachzeitschrift »Science Advances« (DOI: 10.1126/sciadv.aau9784) veröffentlichte Studie unter Leitung des Helmholtz-Zentrums Potsdam - Deutsches GeoForschungsZentrum (GFZ) konnte einen neuen Ansatz zur örtlichen Lokalisation zukünftiger Vulkanausbrüche entwickeln. Das Team, bestehend aus Geologen, Vulkanologen, Physikern und Mathematikern, hat sowohl vor Ort Studien auf den Phlegräischen Feldern in Italien vorgenommen, als auch im Institut lange an mathematisch-physikalischen Modellen gearbeitet. Studienleiterin Eleonora Rivalta erklärt das Grundprinzip ihrer Untersuchungen so: »Wir haben die Geschichte der Phlegräischen Felder um Pozzuoli studiert und die Physik des Vulkans untersucht. Aus der dabei erhaltenen Datenmenge konnten wir ein Modell über mögliche Ausbrüche erstellen.«
Man kann sich die Caldera, also den Kessel, von Pozzuoli vorstellen wie eine Wiese mit Maulwurfshügeln, meint Rivalta. Im Verlaufe Tausender Jahre sind hier und dort Ausbrüche vonstatten gegangen, die Krater hinterlassen haben. Dabei sind andere Krater hingegen auch von jüngeren Ereignissen wieder verschüttet worden, so dass sich eine genaue Anzahl der Eruptionen und ein genauer zeitlicher Ablauf nicht darstellen lässt. Bisherige Karten verzeichnen die Historie von Ausbrüchen nur teilweise. Oftmals gehen Vulkanologen davon aus, dass sich der Vulkan auch künftig so verhalten wird, wie er es in der Vergangenheit getan hat. Allerdings fehlt es hierzu an genauen Untersuchungen, denn jüngere eruptive Ereignisse überdecken die Spuren früherer Ausbrüche.
Um zu genaueren Erkenntnissen zu gelangen, muss auch die physikalische und geomorphologische Struktur untersucht werden. So kann man nicht nur erkennen, wo das Magma aus dem Vulkan ausgetreten ist, sondern auch, welche Wege es in der Vergangenheit genommen hatte. Die Forscher vom GFZ, von der Universität Roma III in Italien, der King Abdullah University in Saudi-Arabien und vom italienischen Nationalen Institut für Geophysik und Vulkanologie (INGV) haben historische Modelle mit modernen physikalischen Untersuchungen des vulkanischen Gesteins kombiniert und aus der Datenmenge ein Mustermodell der Eruptionen erarbeitet.
Der gestresste Vulkan
Wie für die gesamte Erdkruste gilt auch für den Untergrund bei Vulkanen, dass keine gleichmäßige Struktur vorhanden ist. Manche Erdschichten sind kompakter bis hin zu undurchdringlichen Felsstrukturen wie Basalt, andere hingegen eher leicht und porös. Die Untersuchungen des Forschungsteams konzentrierten sich darauf, jene Strukturen zu finden, in denen sich Magmakanäle bis an die Erdoberfläche schieben könnten - oder in der Vergangenheit geschoben haben. So können bei Vulkanen mit Kegeln auch Schlote an den Flanken entstehen, die häufig nur aus einer einzigen Eruption entstanden. Bei Kesselvulkanen können diese Schlote ebenfalls am Rand auftauchen oder am Boden der Caldera - dies sind die Maulwurfshügel.
Das Team um Rivalta untersuchte unter diesen Gesichtspunkten die Caldera in den Phlegräischen Feldern. Magmawege und -Schlote entstehen unter bestimmten Bedingungen, bestimmten »Stressfaktoren«. Dies kann der vertikale Druck sein, mit denen sich das Magma an die Oberfläche schiebt oder auch horizontale Bewegungen, wie sie aus den Plattenverschiebungen resultieren.
»Wir haben diese Bewegungen und Faktoren an historisch bereits vorhandenen Schloten nachgemessen und die Resultate dann mit der Monte-Carlo-Methode millionenfach simuliert«, erklärt Rivalta das Erstellen ihres Modells. Damit ist ein Verfahren aus der Stochastik gemeint, bei dem eine sehr große Zahl gleichartiger Zufallsexperimente die Basis bildet.
Am Monte Nuovo überprüft
1538 fand in den Phlegräischen Feldern der letzte große Ausbruch statt. Dabei entstand der Monte Nuovo in der Nähe von Pozzuoli. Der »Neue Berg« hat heute eine Höhe von 133 Metern, sein Krater in der Spitze einen Durchmesser von etwa 400 Metern. »Beim Erstellen des Modells ließen wir den Monte Nuovo bewusst aus«, erklärt Mauro Di Vito vom nahe gelegenen Vesuv-Observatorium des INGV. »Mit einer Fülle statistischer Berechnungen, der Kenntnis der Struktur und der Geschichte der Phlegräischen Felder konnten wir dann mögliche Austrittskanäle zu bestimmten geschichtlichen Zeiten berechnen«. Dies wurde auch auf das Geschehen am Monte Nuovo angewandt. Die Forscher zeigten sich sehr erfreut, dass sie das historische Ausbruchsgeschehen am Monte Nuovo nahezu präzise »vorhersagen« konnten. »Wir hatten nur eine Abweichung von wenigen Hundert Metern. Das halten wir für ein gutes Ergebnis, da der Monte Nuovo nicht in der Hauptregion des vulkanischen Geschehens der Caldera liegt«, zeigt sich Forschungsleiterin Rivalta zufrieden.
Das Modell auf künftige Ereignisse anzuwenden, dürfte von den Gemeinden, die sich in der Nähe der Caldera angesiedelt haben, von Bedeutung sein. So kann eine langfristige Bauplanung berücksichtigen, ob die Projekte innerhalb einer Gefahrenzone liegen. Das Wissen um mögliche Ausbruchsorte könnte auch beim Alarmieren der Bevölkerung und dem Organisieren von Evakuierungsplänen von Bedeutung sein.
Die Arbeiten am Vorhersagemodell in den Campi Flegrei werden noch fortgesetzt und verfeinert. Doch hat das Forschungsteam um Rivalta bereits neue Projekte im Auge. »Wir wollen unser Modell am Ätna auf Sizilien und dem Piton de la Fournaise auf La Réunion verifizieren.« Bei beiden handelt es sich um Schichtvulkane mit einem Kegel. Zudem ist geplant, auch eine Schlotprognose in den Calderen des Yellowstone-Gebiets in den USA zu erstellen.
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