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Zelle ohne Aussicht
Mit Osman B. befinden sich derzeit mindestens sieben deutsche Staatsbürger aus politischen Gründen in der Türkei in Haft.
Er wollte den Sommerurlaub mit seiner Familie in der Türkei verbringen. Wie jetzt bekannt wurde, ist der aus Hessen stammende 36-jährige Osman B. bereits vor rund zwei Wochen bei der Einreise festgenommen worden. Er war am 28. Juli mit dem Flugzeug im westtürkischen Badeort Antalya gelandet, wo man ihn noch am Flughafen verhaftete. Vorgeworfen wird Osman B. wie so vielen vor ihm Terrorpropaganda. Er soll auf verschiedenen Social-Media-Profilen Inhalte geteilt haben, die die türkischen Behörden als Propaganda für die kurdische Arbeiterpartei (PKK) ansehen. Dazu zählen etwa Bilder des inhaftierten Anführers der PKK Abdullah Öcalan. Die PKK bzw. ihre Unterstützung ist sowohl in der Türkei als auch in Deutschland verboten. Da Osman B. in Deutschland lebe und keinen Wohnsitz in der Türkei habe, ordnete ein Haftrichter Untersuchungshaft für ihn an. Es bestehe Fluchtgefahr.
Berthold Fresenius, der deutsche Anwalt von Osman B., konnte seinen Mandanten bisher nicht direkt sprechen, sondern nur über türkische Kollegen mit ihm kommunizieren. Er sieht einen direkten Zusammenhang zwischen der Festnahme seines Mandanten und Äußerungen des türkischen Innenministers Süleyman Soylu im März dieses Jahres. Soylu drohte bei einem Wahlkampfauftritt Besuchern der Türkei mit den Worten: »Es gibt Leute, die in Europa oder in Deutschland an Kundgebungen einer Terrororganisation teilnehmen und dann nach Antalya, Bodrum und Mugla kommen, um Urlaub zu machen. Für die haben wir jetzt Maßnahmen ergriffen. Die sollen ruhig kommen, dann werden sie bei der Einreise abgefangen und yallah - ab geht’s mit ihnen.«
Laut Angaben der Bundesregierung sitzen zur Zeit mindestens sieben deutsche Staatsbürger aus politischen Gründen in der Türkei in Haft. Aufgrund der anhaltenden wahllosen Festnahmen hat das Auswärtige Amt seine Reise- und Sicherheitshinweise zur Türkei mehrfach verschärft und warnt vor Festnahmen im Zusammenhang mit regierungskritischen Äußerungen im Internet.
Missbrauch der »Red Notice«
Ein weiterer aktueller Fall ist die Festnahme des Duisburgers Ismet Kilic am 26. Juli an der slowenischen Grenze. Der Gewerkschafter und Menschenrechtsaktivist war vor 22 Jahren aus der Türkei geflohen und hatte in Deutschland Asyl bekommen, weil er für sein politisches Engagement politisch verfolgt und zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt wurde. Kilic wurde verhaftet, als er mit seiner Familie auf dem Rückweg aus dem Urlaub in Kroatien die slowenische Grenze passieren wollte. Der slowenische Haftrichter eröffnete Kilic, dass er wegen einer bei Interpol hinterlegten sogenannten »Red Notice« von der Türkei wegen Terrorismus gesucht werde.
Die Sprecherin der Linkspartei Duisburg, Nese Kartal, verurteilte die Festnahme und machte auf den anhaltenden Missbrauch der Internationalen Haftbefehle zur politischen Verfolgung durch die Türkei aufmerksam. »848 Haftersuchen hat die Türkei allein an die Bundesregierung gestellt. Diese Haftbefehle dienen zu nichts Weiterem, als die linke Opposition aus der Türkei einzuschüchtern und mundtot zumachen. Sie sollten endlich ihre Gültigkeit verlieren«, fordert Kartal. Tatsächlich hatte die Türkei sogar zwischenzeitlich die Namen von rund 60 000 angeblich am Putschversuch 2016 beteiligten Personen an Interpol zur Fahndung und Festnahme übergeben. Durch die von der Türkei ausgestellten und mit Hilfe europäischer Staaten vollstreckten Haftbefehle droht politischen Flüchtlingen aus der Türkei jederzeit und überall die mögliche Festnahme und Abschiebung. Wie der Fall Kilic zeigt, auch nach Jahrzehnten.
Über die Zahl der in den vergangenen Jahren in der Türkei verhafteten deutschen Staatsbürger gibt es keine offiziellen Angaben der Bundesregierung oder der türkischen Behörden. Dasselbe gilt für die Verfahren, welche auch nach einer möglichen Freilassung aus der Untersuchungshaft und der Ausreise aus der Türkei noch Jahre weiterlaufen. Ein Besuch bei der Familie oder bei Freunden in der Türkei bleibt den Betroffenen damit verwehrt.
Für die aktuellen Fälle gibt es nicht mehr so viel Aufmerksamkeit in Presse und Öffentlichkeit wie für Deniz Yücel, Peter Steudtner oder Mesale Tolu. Dadurch sinkt auch der Druck auf die deutschen Behörden, welche aus Rücksicht auf die deutsch-türkischen Wirtschaftsbeziehungen sowieso kaum von sich reden machen. Die Betroffenen sind vollkommen der türkischen Willkürjustiz ausgeliefert.
Die hält auch den Druck auf Regierungskritiker im Innern hoch. Diese Woche erst ordnete ein türkisches Gericht die Sperrung von 130 regierungskritischen Internetseiten und Social-Media-Accounts an. Darunter sind die Seiten der HDP-Abgeordneten Oya Ersoy und der linken Band Grup Yorum.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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