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Der rote Kampf um die Leipziger Platte

Leipziger Linksparteichef Adam Bednarsky über seine Direktkandidatur zur Landtagswahl im Neubauviertel Grünau

  • Sebastian Bähr
  • Lesedauer: 6 Min.

Jüngst gab es vermehrt Meldungen über rechte Angriffe auf das LINKE-Büro in Leipzig-Grünau, ein Viertel, das mitten in Ihrem Wahlkreis liegt. Wurden Sie auch schon angepöbelt?
Die rechte Gewalt hat in der Tat zugenommen, allein unser Grünauer Wahlkreisbüro wurde bereits ein Dutzend mal heftig attackiert, der Glaser ist bei uns dauerbeschäftigt. Am Infostand oder beim Plakatieren und Flyerverteilen halten sich die Pöbeleien aber in Grenzen. Grünau ist nicht gefährlicher als andere Stadtgebiete in Leipzig.

Die AfD und die Linkspartei liefern sich aktuell in Grünau ein Kopf-an-Kopf-Rennen.Warum ist der Wahlkreis so polarisiert?
Grünau gehörte mit rund 90.000 Einwohnern im Jahr 1988 zu den größten DDR-Neubaugebieten. Nach der Wende halbierte sich diese Zahl, vor allem durch eine gesunkene Geburtenrate, Abwanderung und einer Vernachlässigung durch die Stadtverwaltung. Auch das schlechte Image für die »Platte« trug zu diesem Bevölkerungsverlust und der damit verbundenen Prekarisierung der Einwohner*innen bei. Die Kinderarmut beträgt in Grünau seit Jahren rund 50 Prozent.

Zur Person

Adam Bednarsky ist Leipziger Stadtrat und Stadtvorsitzender der Leipziger Linkspartei. Bei den sächsischen Landtagswahlen kandidiert er als Direktkandidat für Leipzig West, Grünau. Der 38-Jährige ist promovierter Politikwissenschaftler und Vater von zwei Kindern. Mit Bednarsky sprach Sebastian Bähr.

Wie erklärt das den Zuspruch für die AfD?
Trotz leichten Anstiegs der Bevölkerungszahl in den vergangenen Jahren – auch durch den Zuzug vieler geflüchteter Neuleipziger*innen mit Migrationshintergrund – fühlen sich noch immer viele Menschen in Grünau wirtschaftlich und sozial »abgehängt«. Sie sind unzufrieden und vom politischen System entfremdet. Diese Gemengelage ist für die AfD ein idealer Nährboden und führte zu erschreckenden Wahlergebnissen im Leipziger Westen. Und das, obwohl sie hier vor Ort kaum präsent ist. Für die Linkspartei ist es eine enorme Herausforderung, unsere langjährige Hochburg erfolgreich zu verteidigen.

Was sind Ihre Forderungen für Grünau?
Wir setzen uns vor allem für mehr Sozialwohnungen, mehr Schulsozialarbeit und mehr Freiräume für junge Menschen ein. Außerdem müssen die Taktzeiten für die S-Bahn verkürzt und endlich alle Schulen in Grünau saniert werden. Unser stets wiederholtes Credo lautet »Grünau für alle«. Uns geht es um einen Stadtteil, in dem ein generationsübergreifendes und sozial ausgewogenes Zusammenleben auch künftig für alle gewährleistet wird, unabhängig von ihrer Herkunft. Dabei ist die aktive Teilnahme der Einwohner*innen an der Stadtentwicklung unverzichtbar.

Wie kann man für eine Mitgestaltung werben, wenn sich viele Anwohner*innen vom politischen System entfremdet fühlen?
Natürlich werden wir nicht alle Bewohner*innen erreichen, und gerade bei den sehr frustrierten Menschen ist es nahezu unmöglich. Bei denen reicht es mir schon, wenn sie am Wahlstand mal einen Apfel von mir nehmen und ein kurzes Lächeln aufblitzt.

Braucht es in Grünau einen anderen Wahlkampf, als man ihn etwa im eher alternativ geprägten Connewitz führen würde? Was meint Ihr Slogan »paradiesisch sozial«?
Selbstverständlich muss man hier eine andere Ansprache wählen, als in jung-urbanen Ortsteilen, wo viele Studierende wohnen und wo die Wahlbeteiligung deutlich höher ist. Wir haben deshalb einige eher niederschwellige Angebote unterbreitet wie etwa ein Sportfest mit Adi alias Gerhard Adolph, früherer Leichtathlet und Moderator der berühmten DDR-Fernsehsendung »Mach mit, mach´s nach, mach´s besser« oder eine gemeinsame Fahrradtour mit der Sportlegende Täve Schur. Beides kam hervorragend an. Mein Wahlkampfmotto spielt auf Adams Rolle im Paradies an. Mit der Verteilung von 5000 Äpfeln wollen wir in witzig-spielerischer Weise insbesondere Nichtwähler*innen ansprechen.

Mit welcher Strategie versucht die AfD in Grünau zu punkten?
Die AfD plakatiert massiv für die sogenannte Wende 2.0 und schürt in bekannter völkisch-nationalistischer Weise Ressentiments gegen Minderheiten.

Wie gehen Sie damit um?
Für Fremdenfeindlichkeit und Rassismus darf es bei uns im Stadtteil keinen Platz geben. Andererseits kenne ich die Sorgen und Nöte der Menschen vor Ort. Es hilft kein Geschwurbel, sondern Präsenz und ständige Dialogangebote dort, wo es weh tut. Daher macht es durchaus Sinn, sich beispielsweise mit unserem linken Leipziger Bürgermeister für Ordnung, Umwelt und Sport in Bürgerforen ordnungspolitischen Problemen zu stellen. Wir wollen Lösungen erreichen, die das solidarische Miteinander aller Menschen im Wohngebiet befördern.

Ordnungspolitische Probleme bearbeiten und Freiräume für junge Menschen anstreben – ein Widerspruch?
Finde ich eigentlich nicht. Freiräume können und müssen vielleicht sogar durch gegenseitigen Respekt zwischen den Generationen geprägt sein.

Wie reagieren Sie, wenn sich Grünauer*innen bei den Gesprächen mit Ihnen rassistisch äußern?
Da reagiere ich klar und deutlich, halte mit meiner humanistischen Weltsicht nicht hinter dem Berg. Aber ich höre mir die Position des Gegenübers zunächst an. Auch wenn ich zugebe, dass es zumeist nicht gerade ein Vergnügen ist. Ich sehe es positiv, wenn noch geredet und nicht gepöbelt wird. Da scheint noch nicht alles verloren. Dennoch gibt es nicht selten eine Grenze, da bringt es einfach nichts, weiter zu diskutieren.

Grünau hat noch eine relativ starke linke Basis. Auch der Bundestagsabgeordnete Sören Pellmann bekam hier viele Stimmen als Direktkandidat. Wie konnte das erreicht werden?
Hier haben wir seit 30 Jahren flächendeckend engagierte Basisarbeit geleistet und dabei stets die soziale Frage mit all ihren Facetten von Bildung über Mobilität bis Wohnen in den Mittelpunkt gestellt. Die Linkspartei war, ist und bleibt in Grünau die klassische »Kümmererpartei«, das wird von der – insbesondere lebenserfahrenen – Einwohner*innenschaft honoriert.

Inwiefern wurde es in den vergangenen Jahren schwieriger, diesen Status zu halten?
In unseren klassischen Hochburgen, die im Osten meistens Plattenbau-Gebiete sind, wuchs der Altersdurchschnitt der Parteibasis mit dem allgemeinen Bevölkerungsdurchschnitt. Darunter leidet nicht selten die Aktionsfähigkeit. Ich werbe gerade bei den jungen neuen LINKE-Mitgliedern um ein Engagement in diesen klassischen Hochburgen – quasi um den roten Kampf um die »Platte«. Nur wenn wir hier stark bleiben, werden wir im Gesamten als Partei erfolgreich sein.

Sachsenweit diskutiert man im demokratischen Lager taktisches Wählen, um die AfD zu schlagen. Bekamen Sie von anderen Parteien Unterstützung signalisiert?
Eine »Allparteienkoalition«, um die AfD zu bekämpfen, liefert nur Wasser auf deren Mühlen. Die CDU besitzt zudem ja insbesondere in Sachsen durchaus viele Gemeinsamkeiten mit der AfD. Man sollte den Teufel nicht mit dem Beelzebub austreiben. Wir haben deshalb nur im progressiv-demokratischen Teil des Parteienspektrums um Unterstützung geworben. Nicht wenige Grüne unterstützen sehr aktiv meine Erststimmenkampagne, die SPD ist da wesentlich zurückhaltender. Ich hoffe nicht, dass deshalb am Ende die entscheidenden Stimmen fehlen.

Wie sind Sie selbst mit dem Wahlkreis verbunden?
Ich bin in Grünau aufgewachsen, und meine Kinder sind hier in den Kindergarten gegangen. Inzwischen wohne ich zwar im Leipziger Süden, aber ich arbeite seit vielen Jahren als wissenschaftlicher Mitarbeiter von Sören Pellmann und war zuvor für die Bildungspolitikerin Cornelia Falken im Grünauer Wahlkreisbüro tätig. Durch diese Arbeit bin ich hier sehr präsent.

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