Tränengasnebel in Klein-Bayonne

Frankreich schränkt während des G7-Gipfels das Demonstrationsrecht massiv ein

  • Ralf Streck, Bayonne
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Sonne scheint auf die ausgestorbene Uferpromenade am Sonntag im französisch-baskischen Bayonne, wo sich sonst Touristen und Bewohner tummeln. Geschäfte, Restaurants und Bars sind verbarrikadiert. Schwer bewaffnete Gendarmen stehen an diesen Tagen rund um den G7-Gipfel herum. Sie kontrollieren jede Menschenansammlung, als wäre der Ausnahmezustand verhängt worden. Dabei findet der G7-Gipfel nicht hier, sondern zehn Kilometer entfernt im mondänen Seebad Biarritz statt.

Julian und Maria suchen derweil nach einer Bar. Eigentlich wollten sie in Biarritz sein. Das Paar aus dem spanischen Santander wusste nichts vom G7, als es den Urlaub plante. »Ausgerechnet in Biarritz haben wir unser Hotel«, sagt die junge Frau. Dass die Polizei sie auch hier nicht in die Altstadt lässt, ärgert sie. In Klein-Bayonne, auf der gegenüberliegenden Seite der Altstadt, finden sie schließlich ein Lokal zum Mittagessen im Pitaya.

Die Aussicht von hier über den Fluss ist grandios. Es stören nur Wasserwerfer, Wannen, Lastwagen am Flusslauf geparkt sind, lärmende Hubschrauber und die Polizei-Motorradkonvois, die durch menschenleere Straßen brausen. Da um 17 Uhr eine Spontandemonstration für die Freiheit 100 Menschen geplant ist, die im Laufe des Gipfels festgenommen wurden, wird auch gegenüber des Pitaya die Brücke wieder mit Gittern versperrt. »Warum?«, fragt die Bedienung zwei G7-Delegierte, die auch hier speisen. »Ist das eine Demokratie, wenn man nicht einmal protestieren darf?« Eine Antwort erhält sie nicht. Die beiden beleibten Herren ziehen es vor, schnell zu bezahlen und abzuziehen.

Schließlich versammeln sich beidseits der Barrikaden etwa 100 Menschen und rufen »Atxilotuak askatu« (Freiheit für die Festgenommenen). Mehr haben es nicht durch die Kontrollen geschafft. 20 Kilometer entfernt wurden in Bidart gut 80 Menschen von der Polizei eingekesselt und drei Stunden in der prallen Sonne festgehalten. Sie wollten allesamt zur Demonstration. Darunter befanden sich auch die Journalisten Eneritz Arzallus und Lander Arbelaitz.

»Heute früh war es in Hendaye genauso«, erzählt Peio, der es über Schleichwege nach Bayonne geschafft hat. Aus dem spanischen Teil des Baskenlandes brauchte man gar nicht daran zu denken, über die Grenze zu kommen. Drei Kontrollen mussten schon vor der Grenze überwunden werden. Nach dem Ende des Gegengipfels, der mit einer Großdemonstration am Samstag vor dem Gipfelbeginn abgeschlossen wurde, war die Grenze praktisch für alle dicht, die verdächtig aussahen und keine französische Meldebescheinigung vorweisen konnten.

Wer, wie Joseba Alvarez, auf Schwarzen Listen stand, wurde bei Kontrollen inhaftiert. Alvarez gehörte zu den Organisatoren des Gegengipfels, der beidseits der Grenze friedlich ablief, wozu er auch vorab im »nd«-Interview aufgerufen hatte. Wie Luc, der freie Mitarbeiter von Radio Dreyeckland (RDL) in Freiburg, der sogar zwei Mal illegal auf Basis einer Schwarzen Liste inhaftiert und abgeschoben wurde, berichtete auch Alvarez nach seiner Abschiebung nach Spanien davon, dass oft Gefangene verletzt in die Gefängnisse gebracht worden wären. Luc berichtete, dass drei junge Männer aus Nürnberg, die vorab festgenommen und im Eilverfahren schon zu zwei und drei Monaten Haft (ohne Bewährung) verurteilt wurden, »aussahen, als wären sie aus einer Schlägerei gekommen«.

»Nach der Verhaftung von Alvarez haben wir alle Proteste ausgesetzt, da wir die Sicherheit angesichts des aggressiven Auftretens der Polizei nicht gewährleisten können«, erklärte Enaut Aramendi dem »nd«. Geplant war für Sonntag, Plätze um Biarritz herum zu besetzen. Man wollte aber nicht ins aufgestellte Messer laufen und auf Provokationen einsteigen, sagte der Sprecher der Plattform G7EZ (Nein zum G7). 6000 Menschen hätten auf dem Gegengipfel Alternativen zur neoliberalen Politik entwickelt und mit 15 000 Menschen hätten mehr als erwartet gegen den Gipfel demonstriert. Den Erfolg wollte man sich nicht durch provozierte Gewaltbilder nehmen lassen.

Dabei bezog er sich auf ein »Scharmützel« am Samstag in Bayonne, als es an den Absperrgittern zum Konflikt kam, wie der deutsche Fotograf Jens Volle dem »nd« berichtete. Die Polizei tauchte dabei die Straßen in Klein-Bayonne in einen Gasnebel. Auch offiziell beim G7 akkreditierte Journalisten mussten zuvor ihre Schutzkleidung wie Helme und Gasmasken im Auto zurücklassen oder sie wurden beschlagnahmt. Das sei ihm bisher noch nicht widerfahren. Ein Kollege von ihm fügte an, dass er das bisher nur aus der Türkei kenne.

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