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Keine Auskunft
Die LINKE in Wuppertal wollte wissen, ob »Combat 18« Nazis in der Stadt aktiv sind und ob Menschen aus der Stadt auf möglichen Feindeslisten stehen. Sie bekam keine Antwort.
Neonazis führen Listen von politischen Gegnern. Das ist bekannt und in den letzten Monaten ein breit diskutiertes Thema. Woher stammen die Daten? Wie gefährlich ist es für Betroffene auf einer solchen Liste zu stehen? Werden die Menschen darüber informiert? Darüber wird gestritten. Die Organisation »Frag den Staat« klagt gegen das Innenministerium in Mecklenburg-Vorpommern um an die sogenannte »Nordkreuz« Liste zu kommen. Denn wie und ob Betroffene informiert werden, ist je nach Bundesland unterschiedlich. In Hamburg gibt es eine Hotline, bei der man anrufen muss, in anderen Bundesländern werden Menschen per Brief informiert. Und woanders wird gar nicht informiert.
Ein Beispiel dafür, wie Behörden nicht mit den Feindeslisten umgehen sollten, kommt aus Wuppertal. Die LINKE im Stadtrat wollte wissen, ob Wuppertaler »Personen, Politiker oder Institutionen« auf Feindeslisten auftauchen? Ob diese informiert wurden und wie die Sicherheitsbehörden die Gefährdungslage einschätzen? Außerdem wurde nach lokalen Bezügen zur rechten Terrorgruppe »Combat 18« gefragt. Die Anfrage wurde von der Stadtverwaltung an die Polizei weitergeleitet. Diese antwortete äußerst unbefriedigend. Inhalte der Anfrage seien polizeiliche Erkenntnisse, die »zumindest als VS – NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH« einzustufen seien. Eine Weitergabe der Erkenntnisse sei »nicht mit der Verschlusssachenanweisung des Landes Nordrhein-Westfalen vereinbar«. Deshalb könne die Anfrage inhaltlich nicht beantwortet werden, so der Wuppertaler Polizeipräsident Markus Röhrl.
Gunhild Böth, Stadrätin der LINKEN, äußerte sich empört über die ausgebliebene Antwort: »Informationen, ob Wuppertaler*innen auf den Feindeslisten stehen und damit gefährdet sind, gehören an die Öffentlichkeit. Die Betroffenen müssen von den Sicherheitsbehörden informiert werden.« Der Mord an Walter Lübcke habe klar gemacht, dass es sich bei den Feindeslisten nicht um eine »abstrakte Gefährdung« handele, sondern dass diese sehr konkret sei. Es sei »weder glaubhaft noch nachvollziehbar, dass allgemeine Aussagen zu Feindeslisten zur Verschlusssache« erklärt worden seien. Auf Anfrage des nd antwortet die Wuppertaler Polizei, dass »Gefährdungsaspekte« im Bezug zur »politisch motivierten Kriminalität« von ihr »laufend und unmittelbar« bewertet würden. Zu betroffenen Personen nehme man »selbstverständlich unmittelbar Kontakt auf« und spreche Maßnahmen ab. Die Nachfrage, wie oft dies im Jahr 2019 passiert ist, blieb unbeantwortet. Die Polizei bezieht sich hier offensichtlich auf Fälle in denen sie von einer konkreten Gefährdung ausgeht. Mehrere Personen aus Wuppertal, die auf einer der großen Feindeslisten stehen, sind zumindest noch nicht von der Polizei angeschrieben worden. Wer gefährdet ist, bestimmt die Polizei.
Die Frage, ob es in Wuppertal Personen oder Strukturen der Nazi-Terrorgruppe »Combat 18« gibt, die die Polizei der LINKEN nicht beantwortet hatte, verneint die Polizei gegenüber nd. Die Wuppertaler Neonazi-Szene sei grundsätzlich dem Umfeld der Partei »Die Rechte« zuzuordnen. Eine Antwort, die stutzig macht. So war der aus Dortmund stammende Neonazi Robin S. bei einer Demonstration im Sommer 2018 als Ordner bei einem Aufmarsch in Wuppertal tätig. Robin S. gilt als eine zentrale Figur des »Combat 18«-Netzwerks in Deutschland. Antifaschistische Recherchestrukturen gehen davon aus, dass er in einem Video, in dem die Gruppierung sich vom Anschlag auf Walter Lübcke distanziert und gleichzeitig Journalisten droht, als deren Sprecher auftritt.
Auch einen zweiten Bezug von »Combat 18« zu Wuppertal hätte die Polizei nennen können. Im April 2015 gab es eine Messerattacke auf Besucher des Autonomen Zentrums. Bei dem Angriff wurde eine Person schwer verletzt. Bei seiner Festnahme hatte einer der Täter sich zu der Gruppierung bekannt. Dass er der organisierten »Combat 18« Gruppe angehört, gilt allerdings als unwahrscheinlich. Dennoch handelt es sich um zwei Bezüge zu den Nazi-Terroristen, die die Polizei der LINKEN hätte nennen können, ohne Dienstgeheimnisse zu verraten.
Am Mittwochmorgen dann die Kehrtwende. Nachdem das nd bei Wuppertals Oberbürgermeister Andreas Mucke angefragt hatte, wie er zum agieren der Polizei steht und ob er sich dafür einsetzen werde, dass Wuppertaler die auf Feindeslisten stehen, darüber informiert werden, antwortete die Presseabteilung der Stadt erst, dass der Oberbürgermeister sich informieren müsse, um die Lage zu beurteilen. In einer zweiten Nachricht der Stadt hieß es dann, man habe Neuigkeiten aus dem Polizeipräsidium. Alle Wuppertaler, die auf Feindeslisten stehen, würden jetzt umfassend durch die Polizei informiert und beraten. Ob das wirklich geschieht, werden die kommenden Tage und Wochen beweisen.
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