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Kein Fall mehr fürs Terrarium
Beim CITES-Artenschutzgipfel einigte man sich auf den Schutz zahlreicher Tier- und Pflanzenarten
Kaum zu glauben, aber wahr: Die USA, Mexiko und China sitzen nicht nur gemeinsam am Verhandlungstisch, sondern können sich auch noch einigen. Für solche Überraschungen war die Artenschutzkonferenz CITES in Genf gut, die nach fast zwei Wochen am Mittwoch zu Ende ging. Wenn sich die drei Staaten schon nicht über Mauern oder Handel einigen können, dann doch zumindest auf den Schutz des Kleinwals Vaquita und einer Fischart, die Totoaba heißt. Beide leben - noch - im Golf von Mexiko. Weil die Schwimmblase des Totoabas in China Höchstpreise erzielt, könnten sie bald ausgerottet sein. Das wollen die ungleichen drei Staaten nun verhindern. »Länder, die sich sonst nichts zu sagen haben, können sich im Artenschutz immer wieder auf gemeinsames Vorgehen einigen«, freut sich Susan Lieberman, Vizechefin der Wildlife Conservation Society. Sie verfolgt die Artenschutzgipfel seit Jahrzehnten. »Im Kalten Krieg hatten auch die USA und die Sowjetunion kein Pro-blem damit, gemeinsam Strategien für den Schutz des Störs zu vereinbaren.«
Auch sonst gab es vom Gipfel gute Nachrichten. Organisatoren und Artenschutzorganisationen überboten sich fast in ihrer Überschwänglichkeit. »Das ist ein großer Erfolg«, verkündete die Generalsekretärin des Washingtoner Artenschutzabkommens CITES, Ivonne Higuero. Und Daniela Freyer von der Organisation Pro Wildlife sagt, die Konferenz sei eine der erfolgreichsten ihrer Art überhaupt gewesen. Dutzende Tier- und Pflanzenarten seien jetzt besser geschützt, zumindest auf dem Papier. Die meisten Beschlüsse seien einstimmig gefallen. »Natürlich muss man jetzt dranbleiben und auf die Umsetzung achten«, weiß Freyer aber.
Die 1700 Delegierten aus 169 Vertragsstaaten vereinbarten noch am letzten Gipfeltag einen besseren Schutz von 18 bedrohten Hai- und Rochenarten. Zahlreiche Hartholzbäume aus Afrika und Südamerika wurden unter Schutz gestellt, sie dürfen jetzt nur noch kontrolliert gehandelt werden. Außerdem stehen Giraffen neu auf der Schutzliste. Und der Handel mit zahlreichen Reptilien wurde untersagt, darunter viele, die in deutschen Terrarien beliebt sind: die Indische Sternschildkröte oder die Afrikanische Spaltenschildkröte. Wer sie hält, darf sie behalten. Eingeführt werden dürfen sie nicht mehr.
Das Prinzip Handel gegen Schutz steht im Mittelpunkt des 1973 unterzeichneten Abkommens, in dessen Anhängen inzwischen mehr als 35 000 gefährdete Arten gelistet sind. Manche dürfen nur nach bestimmten Quoten, andere gar nicht mehr gehandelt werden. Die Verhandlungen werden hart geführt, denn gerade für Staaten auf der Südhalbkugel geht es um viel Geld. Auch deshalb reagierten Simbabwe, Botswana und Namibia äußerst unwirsch, als ihre Anträge abgelehnt wurden, den Handel mit Elfenbein von den Stoßzähnen verendeter Elefanten wieder zu erlauben. Allein Simbabwe hat staatliche Bestände im Wert von etwa 540 Millionen Euro, die es gerne versilbern würde. Präsident Emmerson Mnangagwa warf den Delegierten eine koloniale Haltung vor: In Genf herrschten die, die ihre Wildtiere längst ausgerottet hätten, über die, denen der Schutz gelungen sei.
»Der Kolonialismusvorwurf ist lächerlich, denn auch die Staaten Nord-, West-, Zentral- und Ostafrikas haben sich ausdrücklich für ein weiteres Elfenbeinverbot ausgesprochen«, sagt Tierschützerin Lieberman. Dass Simbabwe aus dem Artenschutzabkommen austritt, glaubt sie nicht: »Dafür sind die Erlöse aus den anderen gehandelten Tier- und Pflanzenarten zu bedeutsam.« CITES-Mitglieder dürfen nur mit anderen Mitgliedern Handel treiben - wer draußen ist, verliert also alles. Trotzdem gab sich Generalsekretärin Higuero schuldbewusst: »Es liegen drei schwere Jahre vor uns bis zum nächsten Gipfel, in denen wir Wege finden müssen, wieder näher zueinanderzufinden.« Tierschützer sehen das nicht ganz so: »Ich wundere mich eigentlich, dass die Generalsekretärin diesen wenigen Ländern eine so große Bedeutung zumisst - 80 bis 90 Prozent stehen voll und ganz hinter den beschlossenen Schutzmaßnahmen«, findet Freyer.
Doch Higuero scheint entschlossen, auch die Verbitterung der Unterhändler aus südafrikanischen Staaten zu überwinden. Nicht zuletzt die Brände in Amazonien zeigten, wie wichtig gemeinschaftliches Vorgehen sei, meint sie. »Wenn die Menschen in einer solchen Region vom legalen Handel lokaler Tier- und Pflanzenarten leben können, ist das der beste Schutz vor Brandstiftung oder anderer Zerstörung der Natur.« Entscheidend ist die Einheit der Staatengemeinschaft auch für den Kampf gegen organisierte Kriminalität, die mit dem Schmuggel von vom Aussterben bedrohten Tierarten Milliarden macht. Ihr Geschäft sei so lukrativ wie der Drogenschmuggel, warnte Higuero.
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