- Politik
- Kolumbien
Rückschlag für Friedensprozess
In Kolumbien kündigt Teil der FARC-Guerilla Rückkehr zum bewaffneten Kampf an
Es war nicht irgendwer, der umgeben von einer Gruppe bewaffneter Guerilleros eine Erklärung verlas, sondern Iván Marquez. Er stand von 2012 bis 2016 an der Spitze der FARC-Delegation, die in Havanna das Friedensabkommen mit der kolumbianischen Regierung ausgehandelt hatte. »Heute verkünden wir der ganzen Welt die Fortsetzung unseres Guerillakampfes, der vom universellen Recht der Völker dieser Welt gedeckt ist, sich gegen Unterdrückung mit Waffen zu wehren.« Neben ihm standen sein politischer Vertrauter Jésus Santrich und die Ex-Kommandeure alias »El Paisa« und »Romaña«, die ebenso wie Márquez die Reihen der nach dem Friedensabkommen 2017 gegründeten FARC-Partei verlassen hatten und untergetaucht waren.
Aufgenommen wurde das Video anscheinend in der abgelegenen Tieflandregion im Osten des Landes nahe der Grenze zu Venezuela.
Als Grund für die Wiederbewaffnung nannte Márquez »den Verrat der Friedensvereinbarungen von Havanna seitens des kolumbianischen Staates« und sagte, der Kampf richte sich nicht gegen Soldaten und Polizisten, sondern gegen die »korrupte und mafiöse Oligarchie.« Er kündigte eine defensive Kampfstrategie an, die auf Angriffe der Sicherheitskräfte reagiere, und fügte hinzu, man wolle Allianzen mit der ELN-Guerilla und anderen FARC-Abspaltungen eingehen, die in zahlreichen Regionen bereits seit mehreren Monaten operieren. Entsprechende Gespräche sollten laut der Stiftung Versöhnung und Frieden Pares bereits vor Wochen stattgefunden haben.
Laut einer aktuellen Studie der Stiftung existieren landesweit bereits 24 dieser Gruppen mit rund 1300 Kämpfern, die sich teils bereits noch vor dem Abschluss der Friedensverhandlungen Ende 2016 teils unter neuen Namen gegründet hatten. Sie finanzieren sich vor allem aus dem Drogenhandel.
Noch ist unklar, wie viele Kämpfer hinter der Gruppe um Márquez stehen. Sie sieht sich in unmittelbarer Tradition der einst ältesten noch aktiven Guerilla Lateinamerikas und behält den Namen FARC-EP ebenso bei wie die Berufung auf die Gründungsväter und ideologischen Eckpfeiler.
Mit dem öffentlichen Auftritt Marquez’ und seiner Gefolgsleute ist der Bruch innerhalb der FARC endgültig vollzogen. Bereits während der Friedensverhandlungen (2012-2016) war es zu Differenzen innerhalb der Gruppierung gekommen, die im Zuge der Demobilisierung und der Umsetzung der Vereinbarungen nach und nach zunahmen. Nicht nur von bewaffneten Einheiten, auch von politischen Gruppierungen, die sich nach und nach von der FARC als Partei distanziert hatten, kam immer wieder Kritik. Moniert wurde unter anderem die vorschnelle Waffenübergabe und dass im Zuge der Umwandlung in eine legale Partei die ideologischen Leitlinien der einst marxistisch-leninistischen Organisation aufgegeben worden seien.
FARC-Vertreter appellierten in ersten Stellungnahmen an die Basis, den Friedensprozess nicht aufzugeben: Die große Mehrheit der FARC, 90 Prozent, halte trotz der vorhersehbaren Schwierigkeiten und Gefahren an den Vereinbarungen fest, schrieb FARC-Chef Rodrigo auf Twitter. Der Kongressabgeordnete der FARC, Carlos Lozada, sprach von einem großen Fehler der ehemaligen Genossen. »Uns scheint, sie haben den Bezug zur Realität im Land verloren«, sagte er im Radiosender Caracol. Der Staatspräsident Duque selbst hatte sich bis Redaktionsschluss noch nicht geäußert.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.