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  • Politik
  • Regierungsbildung in Sachsen

An Kenia führt kein Weg vorbei

Die AfD ist in Sachsen nur von der Regierung fernzuhalten, wenn sich CDU, SPD und Grüne zusammenraufen

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 4 Min.

Sachsens AfD hatte bei der Wahl des Landtags ein wichtiges Ziel: Wahlkreise gewinnen - und zwar die richtigen. Direktmandate mussten vor allem jene Kandidaten erobern, die auf der Landesliste der Partei nicht auf einem der ersten 30 Plätze standen. In einem spektakulären Streit um Fehler bei der Listenaufstellung hatte das Verfassungsgericht entschieden, nur 30 AfD-Kandidaten zuzulassen. Und so schien es am Wahlabend erst, als könne die Partei ihr Zweitstimmenergebnis von 27,5 Prozent nicht in entsprechenden politischen Einfluss ummünzen. 39 Mandate hatte sie errungen, aber neun drohten unbesetzt zu bleiben - mit Folgen für die Mehrheitsverhältnisse: Eine Koalition von CDU und Grünen schien möglich.

Inzwischen ist klar: Sachsen steuert auf eine Kenia-Koalition aus CDU, SPD und Grünen zu. Die drei Parteien kämen zusammen auf 67 Mandate im Landtag, der eigentlich 120 Sitze umfasst. Den Ausschlag gab der Umstand, dass die AfD der CDU nicht einfach 15 Direktmandate abknöpfte, sondern aus ihrer Sicht auch acht »richtige«: solche, deren Kandidaten nicht auf der Liste standen. Sie erhält die Mandate zusätzlich zu den Listensitzen und stellt nun 38 Abgeordnete; im Landtag bleibt nur ein Sitz verwaist. Das schränkt die Möglichkeiten zur Regierungsbildung ein - falls CDU-Spitzenkandidat Michael Kretschmer sein Wort nicht brechen will. Er hatte Bündnisse mit AfD und LINKE ausgeschlossen - und muss nun auf Gedeih oder Verderb an einem mit SPD und Grünen arbeiten.

An Anerkennung mangelt es Kretschmer nicht

Die nötige Autorität in seiner Partei dürfte er nach dem Wahlabend haben. Zwar fiel diese gegenüber 2014 von 39 auf 32 Prozent. In der CDU weiß man aber, dass Kretschmers unermüdliches Ackern seit Amtsübernahme vor 18 Monaten ein größeres Debakel verhinderte und - anders als bei der Bundestagswahl 2017 und der Europawahl im Mai - Platz 1 vor der AfD rettete. Gestärkt ist Kretschmer auch, weil er seinen Wahlkreis in Görlitz direkt gewann. Dagegen erlitten Vertreter der Werte-Union, die Stimmung gegen ein Bündnis mit den Grünen macht, Niederlagen. So verloren Abgeordnete wie Sebastian Fischer, Frank Heidan und Geert Mackenroth, die sich im Wahlkampf von Ex-Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen hatten unterstützen lassen, ihre Wahlkreise an Konkurrenten von der AfD. Mackenroth zog am Ende immerhin als einer von vier CDU-Politikern über die Liste in den Landtag ein. Der bisherige Landtagspräsident Matthias Rößler, der mit einem Maaßen-Auftritt ebenfalls für parteiinternen Ärger gesorgt hatte, lag in seinem Wahlkreis Meißen 4 mit nur 710 Stimmen vorn. Er hatte für eine CDU-Minderheitsregierung geworben. Das Modell ist umstritten. Kritiker fürchten eine schwarz-blaue Koalition durch die Hintertür. Kretschmer sagt, er halte von solchem »freien Spiel der Kräfte« nichts.

Gleichwohl dürfte es alles andere als leicht werden, die nach Sachsen-Anhalt bundesweit zweite Kenia-Koalition unter Dach und Fach zu bekommen. Sachsens CDU musste sich in drei Legislaturperioden seit 2004 zwar an Bündnisse mit anderen Parteien gewöhnen: Zweimal wurde mit der SPD regiert, einmal mit der FDP. In einem Bündnis aus drei Parteien aber sind, wie in Sachsen-Anhalt seit 2016 deutlich wurde, die Fliehkräfte größer. Vor allem mit den Grünen fremdelt Sachsens CDU; bei 90 Prozent der Mitglieder, so wurde es im Wahlkampf kolportiert, gebe es Vorbehalte.

SPD schrumpft auf Zwergenmaß

Zusammenraufen müssen sich die drei Parteien dennoch. Dabei dürfen die Zugeständnisse an SPD und Grüne aus CDU-Sicht nicht zu groß sein; Erstere sind mit 7,7 Prozent auf Zwergenmaß geschrumpft, Letztere mit 8,6 Prozent nicht so gewachsen wie vorab erwartet. Gleichzeitig haben etwa die Grünen bekundet, dass sie zwar »gern Verantwortung übernehmen« wollen, wie Landessprecher Norman Volger formulierte - aber nur, wenn es einen »Aufbruch« in Richtung Ökologie und Weltoffenheit gebe. Auch SPD-Landeschef Martin Dulig wird seinen Genossen sehr gut begründen müssen, warum man trotz des Debakels wieder mitregieren soll - jenseits des Arguments, dass nur so die bundesweit erste Regierungsbeteiligung der AfD zu verhindern ist. Die Verhandlungen dürften also kompliziert werden. Am Wahlabend sagte Kretschmer bereits, es werde »nicht von heute auf morgen« gehen. Die Verfassung lässt ab der Konstituierung des Landtags, die bis 1. Oktober erfolgt sein muss, vier Monate Zeit bis zur Wahl des Ministerpräsidenten; sonst gibt es Neuwahlen - oder doch noch eine Regierung unter offener oder indirekter Beteiligung der AfD.

Diese würde freilich auch aus der Opposition heraus die sächsische Politik massiv beeinflussen. So verfügt sie über die nötige Zahl an Abgeordneten, um allein Untersuchungsausschüsse einzusetzen oder Organklagen beim Verfassungsgericht zu erheben. Auch einen Vizepräsidenten des Landtags dürfte sie stellen. Dagegen ist die LINKE nach ihrem Absturz auf 10,4 Prozent mit nur noch 14 Abgeordneten in ihrem parlamentarischen Spielraum extrem eingeschränkt. Verbündete in der Opposition hat sie, anders als bisher in Gestalt der Grünen, nicht mehr; Untersuchungsausschüsse sind passé; die Redezeiten viel kürzer als bisher. Es wäre exakt die Rolle, mit der die Genossen in Sachsen-Anhalt seit 2016 Erfahrungen sammeln mussten. Und zwar alles andere als gute.

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