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Legal oder illegal - das ist hier die Frage
In Bonn beginnt der erste Strafprozess wegen Cum-Ex-Deals. Angeklagt sind zwei Aktienhändler
Es ist der erste Prozess dieser Art in Deutschland. Jahrzehntelang haben sich Banken, Fonds und andere Finanzdienstleister mittels sogenannter Cum-Ex-Deals Steuerzahlungen vom Fiskus doppelt und dreifach zurückerstatten lassen. Dabei ging es um Aktiengeschäfte, häufig im Auftrag von Investoren aus dem Ausland. Anleger und Banken teilten sich dann den Gewinn.
Viele Täter dürften sich dabei durchaus im Recht gesehen haben. Die Bundesregierung habe eine Gesetzeslücke geduldet, und die sei von »cleveren Finanzprofis« genutzt worden, so eine häufig gehörte Argumentation. Solche »Steueroptimierung« sei gängige Praxis. Schließlich biete das komplizierte Steuerrecht vielfältigste Möglichkeiten, um weniger zu zahlen. Und das sei vom Gesetzgeber durchaus gewollt, um beispielsweise die Gründung von Start-ups oder allgemeine wirtschaftspolitische Ziele zu fördern.
Die auch Dividendenstripping genannten Cum-Ex-Deals waren bereits in der alten Bundesrepublik möglich. Richtig an Fahrt aufnahmen diese allerdings erst während der 1990er Jahre mit der zunehmenden Internationalisierung der Wirtschaft. Eine ganze Reihe von Finanzministern - von Theo Waigel über Oskar Lafontaine bis hin zu Peer Steinbrück und Wolfgang Schäuble - schloss trotz mehrerer Reformen der Unternehmensbesteuerung die Milliardenlücke nicht. Weil sie diese nicht erkannten oder weil sie durchaus erwünscht war. Vor allem Kanzler Gerhard Schröders rot-grüne Bundesregierung wollte den »Finanzplatz Deutschland« stärken und ausländisches Kapital anlocken.
Durch aggressives Dividendenstripping wurden Aktien deutscher Firmen für internationale Investoren attraktiver. Ausländische Anleger müssen normalerweise in Deutschland etwa 15 Prozent Kapitalertragsteuer auf Dividenden zahlen. Durch den Verkauf einer Aktie kurz vor dem Termin der Dividendenzahlung und Rückkauf derselben Aktie kurz nach dem Dividendentermin kann es zur Rückerstattung der Steuer kommen. Bei der als Cum-Ex bekannt gewordenen Variante kam es sogar zur mehrfachen Erstattung von nur einmal abgeführter Steuer. Auch in anderen Ländern nutzten Banken und Investoren solche Steuerlücken aus. Experten schätzen den Schaden in der EU auf über 50 Milliarden Euro.
Ob es sich dabei um legale Steueroptimierung oder illegale Steuerhinterziehung handelt, will nun das Landgericht Bonn in einer Art Musterprozess klären. Nach Ansicht der Bundesregierung gab es für das Vorgehen keine Rechtsgrundlage, wie aus dem 830 Seiten starken Bericht des Untersuchungsausschusses des Bundestages von 2017 hervorgeht. Schließlich sei eine mehrfache Steuererstattung offensichtlich unrecht.
Im Bonner Landgericht müssen sich ab diesen Mittwoch zwei Helfershelfer verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 41-Jährigen und dem 38-Jährigen die Beteiligung an Cum-Ex-Geschäften vor. Die britischen Staatsbürger sollen »mit weiteren gesondert verfolgten Personen«, so ein Gerichtssprecher, von Mitte 2006 bis Frühjahr 2011 unter anderem als Aktienhändler der Hypovereinsbank Straftaten begangen haben. Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker geht nach jahrelangen Ermittlungen von 34 Fällen der besonders schweren Steuerhinterziehung aus. Der Schaden für den Fiskus soll sich auf insgesamt über 440 Millionen Euro belaufen.
Die eigens eingerichtete 12. Große Strafkammer des Landgerichts will nach Medienberichten im Zuge des Verfahrens auch fünf Banken als Nebenbeteiligte zur Verantwortung ziehen. Bei den Instituten soll es sich unter anderem um die Hamburger Privatbank M. M. Warburg, die französische Großbank Société Générale und das US-Institut BNY Mellon handeln. Letztlich geht es dabei um die Frage, wer für den Schaden in der Staatskasse haftet.
Welche riesigen Summen bewegt wurden, wird am Beispiel der Société Générale deutlich. Diese verwaltete laut »Handelsblatt« einen Cum-Ex-Fonds namens Baca, der allein von April bis Juni 2009 in rund 200 Millionen Aktien von zwei Dutzend deutschen Gesellschaften investierte - Gesamtumsatz mehr als sechs Milliarden Euro. Das Bundeszentralamt für Steuern in Bonn zahlte fast 60 Millionen Euro aus. Dabei scheint es zwischen Amt, Bundesfinanzaufsicht Bafin und Länderfinanzbehörden zu schwerwiegenden Abstimmungspro-blemen gekommen zu sein.
Ohnehin bildet der Bonner Megaprozess nur die Spitze des Eisbergs. So soll die federführende Staatsanwaltschaft Köln gegen mehr als 50 Finanzinstitute ermitteln, darunter weitere namhafte Geldhäuser wie die Deutsche Bank oder Barclays. Und erst in der vergangenen Woche durchsuchten Ermittler zwei Gebäude einer Tochtergesellschaft der Deutschen Börse AG bei Frankfurt am Main und in Luxemburg. Clear-stream wickelt den Kauf und Verkauf von Wertpapieren ab und könnte daher noch ins Zentrum des Cum-Ex-Skandals rücken.
Rund zwölf Milliarden Euro wurden laut Schätzungen dem deutschen Fiskus durch Cum-Ex-Deals entzogen. Erst im Jahr 2012 reagierte der Gesetzgeber und schloss die Gesetzeslücke, teilweise. Vier Jahre später musste Finanzminister Schäuble noch einmal nachbessern lassen. Die Strafkammer in Bonn will das Verfahren nach 32 Verhandlungstagen im Januar 2020 abschließen.
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