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Neues Konzept für neue Obdachlose
Abgeordnetenhaus diskutiert über Leitlinien der Wohnungslosenpolitik / Opposition kritisiert das Konzept als reine Symptombekämpfung
»Obdachlosigkeit ist weiblicher und internationaler geworden«, konstatierte Sozialsenatorin Elke Breitenbach (LINKE) am Donnerstag in der Plenarsitzung im Abgeordnetenhaus. »Darauf ist die Wohnungslosenhilfe nicht eingestellt und deswegen gibt es jetzt die neuen Leitlinien.« Rund eine Woche nach Verabschiedung der neuen Leitlinien der Wohnungslosenpolitik waren diese am Donnerstag Thema im Landesparlament. Während sich die Fraktionen der rot-rot-grünen Regierung zur Überarbeitung der bereits 20 Jahre alten Regelungen gratulierten, übte die Opposition harsche Kritik.
»Ackern an Symptomen, ohne die Ursachen zu bekämpfen«, nannte die CDU das neue Konzept und nutzte die Diskussion über die Wohnungslosenpolitik für einen ihrer Angriffe auf »Nicht-Bausenatorin« Katrin Lompscher (LINKE), den Mietendeckel und das Volksbegehren zur Vergesellschaftung großer privater Wohnungsunternehmen. »Der beste Weg zur Bekämpfung von Wohnungslosigkeit ist immer noch der Wohnungsneubau«, so Maik Penn von der CDU-Fraktion. Für Breitenbach eine »Milchmädchenrechnung«: »Ich will die Wohnungsnot nicht kleinreden, aber die Probleme sind sehr viel vielschichtiger, als dass Wohnungsneubau die einzige Lösung wäre.«
Überhaupt schien es in der Parlamentssitzung weniger um die Wohnungslosen zu gehen, als um deren Instrumentalisierung für parteipolitische Zwecke. Die AfD ließ sich die Gelegenheit nicht entgehen, migrantische und deutsche Obdachlose gegeneinander auszuspielen und auf ihr Kernthema zu sprechen zu kommen: Statt »bauen, bauen, bauen« wie bei CDU und FDP, lautet die universelle Lösung der Rechten »abschieben, abschieben, abschieben«. »Grenzschließungen helfen nicht gegen Obdachlosigkeit«, sagte dazu Sozialsenatorin Breitenbach kopfschüttelnd.
»Es ist traurig, wie wenig hier über die Wohnungslosen gesprochen wird«, stellte dann auch Stefan Ziller von der Grünenfraktion fest. Für ihn sind die neuen Leitlinien ein »großer Schritt nach vorne«. Nun müsse allerdings sichergestellt werden, dass auch die nötigen finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt werden, damit die Bezirke die neuen Maßnahmen umsetzen können. Die sollen in Zukunft einheitlicher vorgehen, etwa bei der Übernahme von Mietschulden zur Verhinderung von Wohnungslosigkeit oder der Qualität der Unterbringung.
Nicht wartezimmertauglich
Eine Arztpraxis am Ostbahnhof versorgt seit 25 Jahren obdachlose Menschen mit medizinischer Hilfe, Essen und einem offenen Ohr
»Bei der Unterbringung von Obdachlosen gibt es einen regelrechten Unterbietungswettbewerb der Bezirke«, kritisiert die sozialpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Ülker Radziwill. Das soll sich durch die gesamtstädtische Steuerung ändern. Dadurch soll eine bedarfsgerechte und qualitätsgesicherte Unterbringung ermöglicht werden. Betreiber, »die sich mit dem Elend anderer eine goldene Nase verdienen«, sollen der Vergangenheit angehören: »Diesen Sumpf legen wir trocken«, kündigte Breitenbach an.
Am 3. September hatte der Senat die neuen Leitlinien beschlossen. Sie sehen unter anderem einen Ausbau der Notunterkünfte für Frauen und Familien mit Kindern sowie besondere Wohnangebote für junge Wohnungslose vor. Um den Bedarf besser einschätzen zu können, soll eine »Wohnungsnotfallstatistik« erstellt werden. Dazu werden Studierende der Alice-Solomon-Hochschule in der »Nacht der Solidarität« vom 29. auf den 30. Januar 2020 die Obdachlosen auf Berlins Straßen zählen - ein bundesweit einmaliger Vorgang, wie Breitenbach betont.
Auch in Bezug auf Obdachlosencamps wie das an der Rummelsburger Bucht will Berlin neue Wege gehen. Auf »sicheren Plätzen« sollen Obdachlose in »Tiny Houses«, also kleinen Häuschen, unterkommen. Die Kritik einer dadurch entstehenden »Ghettoisierung« lässt Breitenbach nicht gelten: »Wir brauchen Schutzräume, wo sich obdachlose Menschen eine Zeit lang zurückziehen können.« Es gehe hier nicht um eine dauerhafte Unterbringung, sondern um eine Übergangslösung für Menschen, die das reguläre Hilfesystem nicht erreicht. »Wir müssen an diese Menschen erst einmal rankommen.«
Dass die Erstellung der Leitlinien so lange gedauert hat, wie die Opposition am Donnerstag bemängelte, sei dem ressortübergreifenden und partizipativen Prozess, an dem viele unterschiedliche Akteure beteiligt waren, geschuldet, so Breitenbach. Die Strategiekonferenzen, auf denen die Leitlinien erarbeitet wurden, sollen laut der Senatorin auch in Zukunft einmal im Jahr fortgesetzt werden, um bei Bedarf gegensteuern zu können.
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