Steinkohle bis 2030 passé

Vattenfall und der Senat haben eine Ausstiegsstudie anfertigen lassen

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.

Rund ein Viertel der klimaschädlichen Treibhausgase erzeugt Berlin bei der Wärmeerzeugung. Ein Großteil der Fernwärme wird dabei in den drei Steinkohlekraftwerken Vattenfalls in Moabit und am Standtort Reuter in Siemensstadt erzeugt. Wenn das Land sein Ziel erreichen will, bis 2050 klimaneutral zu werden - also die Treibhausgasemissionen um mindestens 90 Prozent im Vergleich zum Basisjahr 1990 zu reduzieren -, müssen diese Kraftwerke stillgelegt beziehungsweise umgerüstet werden. Wie das funktionieren könnte, haben der Senat und Vattenfall in den vergangenen zwei Jahren durch das BET Büro für Energiewirtschaft und technische Planung aus Aachen in einer Machbarkeitsstudie untersuchen lassen. Das Ergebnis der Untersuchung wurde am Montag vorgestellt.

»Wir haben uns vorgenommen, bis 2030 aus der Kohle auszusteigen - das wäre ein großer Schritt für den Klimaschutz«, erklärt Klimaschutzsenatorin Regine Günther (Grüne) bei der Pressekonferenz im Heizkraftwerk Moabit. Laut der Studie mit dem Titel »Kohleausstieg und nachhaltige Fernwärmeversorgung 2030« ist das Ziel bis spätestens 2030 zu erreichen. »Die Studie ist keine schnelle handgestrickte Nummer, sondern das Ergebnis intensiver Arbeit«, betont Tanja Wielgoß, die Vorstandsvorsitzende der Vattenfall Wärme Berlin. Der Senat ließ die Studie gemeinsam mit dem Energiekonzern verfassen, in einem Begleitkreis waren darüber hinaus auch Umweltverbände, Nichtregierungsorganisationen, das Abgeordnetenhaus und Gewerkschaften am Rande mit einbezogen.

In diesem Team wurden verschiedene Szenarien für den Kohleausstieg durchgespielt. »Im Rahmen der Machbarkeitsstudie wurden viele Versorgungssituationen durchdekliniert«, erläuterte Michael Ritzau vom beauftragten BET-Büro. Verworfen wurde unter anderem die Idee, die fehlende Energie aus der Kohle durch Solarthermie zu ersetzen. Dafür bräuchte es eine Solaranlage von fast der Größe des Tiergartens, eine solche Freifläche ist aber in der Metropole nicht vorhanden.

Deshalb schlagen die Verfasser der Studie im Kern vor, die zusätzliche Energie aus der Müllverbrennung zu gewinnen und die Abwärme der Kläranlage Ruhleben zu nutzen. Das Kraftwerk Moabit soll zudem bis 2025 für die Nutzung von lokaler Biomasse umgerüstet werden. Wichtigstes Element des Kohleausstiegs und zur Sicherung der Versorgungssicherheit mit Strom und Wärme soll ein neues Hybridkraftwerk werden, das am Standort des bisherigen Steinkohlekraftwerks Reuter entstehen soll. Bereits 2020 soll dieses Kraftwerk vom Netz gehen. Das neue Hybridkraftwerk soll technisch so hoch gerüstet sein, dass es schnell hoch- und runtergefahren werden kann, und je nach Verfügbarkeit können hier erneuerbare Energien oder Erdgas eingesetzt werden. Auf lange Sicht soll das Hybridwerk auch mit Wasserstoff betrieben werden können.

Für den Ausstieg aus der Steinkohle sind die genannten Maßnahmen die ersten Schritte. Um wirksamen Klimaschutz zu betreiben, reicht das jedoch nicht aus. Zum Beispiel muss laut Umweltsenatorin die energetische Gebäudesanierung vorangetrieben werden, die zurzeit stockt. »Wenn wir die Sanierungen nicht drastisch erhöhen, werden wir die Ziele nicht erreichen«, sagt Regine Günther. Für bestimmte Maßnahmen fordern Senat und Vattenfall auch die Hilfe des Bundes ein. So müsste der Ausbau der erneuerbaren Energien wieder an Fahrt aufnehmen und die Wärmedämmungen forciert werden. »Wenn wir weniger CO2 haben wollen, brauchen wir eine CO2-Bepreisung«, fordert die Vattenfall-Managerin Tanja Wielgoß in Richtung Bundesregierung.

Für umwelt- und klimaschutzpolitische Initiativen, die am Montag vor dem Kraftwerk mit einer kleinen Gruppe demonstrierten, gehen die Ausstiegspläne des Senats und Vattenfalls nicht weit genug. »Nur mit einem Kohleausstieg bis 2025 leistet Berlin einen gerechten Beitrag zu den Zielen des Pariser Klimaschutzabkommens«, sagt Eric Häublein vom Bürgerbegehren Klimaschutz.

Der BUND kritisiert ebenfalls, dass mit diesem Plan die Pariser Ziele nicht eingehalten werden können. Außerdem sei die geplante gesteigerte Energiegewinnung durch Müllverbrennung nicht unproblematisch. »Die Reduzierung und das Recycling von Müll sind wichtiger, als Müll weiter zu verbrennen«, so BUND-Landesvorstandsmitglied Julia Epp. Die Kapazitätserweiterungen in der Müllverbrennungsanlage seien daher ein »großer Fauxpas«.

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