Todbringende Aktionen

Dresden: Prozess gegen rechtsterroristische »Revolution Chemnitz« eröffnet

  • Kai Budler, Dresden
  • Lesedauer: 3 Min.

Unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen hat am Montag im Prozessgebäude des Oberlandesgerichts (OLG) Dresden der Prozess gegen acht Neonazis begonnen. Sie sollen die rechtsterroristische Vereinigung »Revolution Chemnitz« mitbegründet haben. Die Kontrollen glichen denen an Flughäfen, im Verhandlungssaal trennt eine Panzerglasscheibe die Zuschauer vom Prozessgeschehen.

Die Bundesanwaltschaft (BAW) wirft den Angeklagten vor, sie hätten das politische System der Bundesrepublik beseitigen wollen. Dazu hätten sie bewaffnete Aktionen und die Beschaffung von Schusswaffen geplant, sagte BAW-Vertreter Kai Lohse am Montag.

Mit Durchsuchungen und Festnahmen in Sachsen und Bayern am 1. Oktober vergangenen Jahres hatten Ermittler die Anschlagspläne der Neonazis vereitelt. Seither sitzen die Beschuldigten in Untersuchungshaft. Die BAW wirft ihnen vor, eine rechtsterroristische Vereinigung gegründet, ihr als Mitglied angehört oder engen Kontakt zu ihr gehabt zu haben. In der Anklageschrift heißt es, die Männer seien durch ihre rechtsextreme, teils »offen nationalsozialistische Gesinnung« verbunden. Ab September 2018 waren sie Teil einer Chatgruppe gewesen, in der sie sich darüber austauschten, wie durch Anschläge ein »Systemwechsel« herbeizuführen sei. Zur besonderen Hassfigur sei bei ihnen Bundeskanzlerin Angela Merkel avanciert.

Nach Erkenntnissen der Ermittler sollte die »Revolution« mit »einem symbolträchtigen Geschehen am Tag der Deutschen Einheit« 2018 ausgelöst werden. Ziele sollten Migranten und Andersdenkende, »Vertreter des politischen Parteienspektrums und Angehörige des sogenannten gesellschaftlichen Establishments« sein.

Für die Durchführung ihrer bewaffneten Aktionen hatten die Angeklagten laut BAW bereits Kontakt zu deutschen und europäischen Hooligangruppen aufgenommen. Sie selbst hätten sich dabei als »Führungskräfte« gesehen. Die Anklagebehörde geht davon aus, dass von ihnen verübte Übergriffe auf Jugendliche und Ausländer am 14. September 2018 in Chemnitz ein »Probelauf« waren, mit dem die »Interaktion der Gruppenmitglieder« getestet werden sollte. Die daran Beteiligten sind im Verfahren vor dem OLG auch wegen Landfriedensbruchs in besonders schwerem Fall angeklagt.

Alle acht Beschuldigten hatten nach Erkenntnissen der BAW führende Positionen in der Hooligan-, Skinhead- und Neonaziszene im Raum Chemnitz inne. Alle sind wegen teils schwerer Delikte vorbestraft.

Als Rädelsführer der Gruppe sieht die BAW den gelernten Elektriker Christian K. an. In einem Text in der Chatgruppe »Planung der Revolution« hatte der 32-Jährige geschrieben: »Es ist an der Zeit, nicht nur Worte sprechen zu lassen, sondern auch Taten.« Die Wortwahl erinnert an das Motto des rechtsterroristischen NSU »Taten statt Worte«. In ihrer Chatgruppe schrieben die Angeklagten, gegen ihre eigenen Aktionen werde der NSU als »Kindergartenvorschulgruppe« erscheinen.

Christian K. gehörte bereits der militanten sogenannten Kameradschaft »Sturm 34« an. Sie hatte das Ziel ausgegeben, die Stadt Mittweida ihre Umgebung von »Zecken«, »Hip-Hoppern« und Migranten zu befreien. Auch der Kopf der 2007 verbotenen Gruppierung, Tom W., sitzt jetzt in Dresden auf der Anklagebank.

Die Angeklagten wollten sich am Montag vor dem OLG in der Sache nicht äußern. Die Anwälte von Christian K. und Tom W. gaben jedoch im Namen ihrer Mandanten Erklärungen ab. Darin kritisierten sie unter anderem einen »gewissen Druck« auf den Prozess durch die Medienberichterstattung sowie eine politisch motivierte »unverhältnismäßige« Anklage, in der entlastende Umstände nicht berücksichtigt würden. BAW-Vertreter Lohse wies die Vorwürfe in aller Deutlichkeit zurück. »Dies ist kein politischer Prozess, sondern wir knüpfen allein an Handlungen und Aktionen an, die möglicherweise politisch motiviert waren«, betonte er.

Einen Antrag des Verteidigers des mit 21 Jahren jüngsten Angeklagten Martin H., die Öffentlichkeit vom Prozess auszuschließen, hatte das Gericht noch vor Verlesung der Anklage abgelehnt. Der Grundsatz der Öffentlichkeit müsse den Vorrang behalten, sagte der Vorsitzende Richter Hans Schlüter-Staats.

Der Prozess wird am 7. Oktober fortgesetzt. Allein bis zum Jahresende sind 22 Verhandlungstage angesetzt, der Prozess ist bereits bis Ende April 2020 terminiert.

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