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Verwalterin fremder Macht
Alexander Isele über das Notstandsgesetz in Hongkong
Nun soll ein Notstandsgesetz für Ruhe sorgen: Seit Freitag um Mitternacht ist das »Vermummen« in Hongkong verboten. Regierungschefin Carrie Lam sagte zwar, es gäbe keinen Notstand in der Sonderverwaltungszone, wendet nun aber ein aus der Kolonialzeit stammendes Gesetz für diesen an, das ihr weitreichende Befugnisse einräumt. Mit Notstandsgesetzen wurden zuletzt 1967 die durch die Kulturrevolution in China aufgepeitschten Arbeiteraufstände in der britischen Kolonie blutig unterdrückt. Damals starben 51 Hongkonger, 800 wurden verletzt.
Lam gibt so einseitig den Protestierenden die Schuld. Über 2000 von ihnen sind seit Juni verhaftet worden, ihnen droht die Anklage wegen Aufruhr. Aufseiten der Polizei gibt es bisher null Disziplinarverfahren oder Anklagen wegen Gewaltmissbrauchs. Selbst eine unabhängige Untersuchung der Gewalt lehnt Lam ab. Die Polizei verbietet quasi alle Großdemonstrationen. Viele in Hongkong haben deshalb Angst, an Protesten teilzunehmen und Polizeigewalt zu erfahren. Dabei waren die Märsche im Juni mit bis zu 1,7 Millionen Menschen friedlich. Selbst Andrew Li Kwok Nang, der erste Präsident des Obersten Gerichtshofes in Hongkong nach der Rückgabe der Kolonie 1997, kritisiert die Regierung scharf. »Unter ›Ein Land - zwei Systeme‹ sind Rede-, Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit garantiert«, mahnt er.
Doch Carrie Lam nimmt den Hongkongern diese Rechte nach und nach. Die Anwendung der Notstandsgesetzgebung lässt sie als nichts anderes erscheinen als eine von einer fremden Regierung eingesetzte Verwalterin, die Politik gegen die eigene Bevölkerung macht. Das sollte in Hongkong eigentlich seit 1997 Geschichte sein.
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