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Ein Studentenzimmer für 920 Euro
Wer in Berlin studieren will, braucht starke Nerven bei der Wohnungssuche - oder am besten reiche Eltern
Diese Zimmer klingen auf den ersten Blick verlockend: Ein gemütliches Queensize-Bett, ein moderner Flatscreen-Fernseher, schnelles Internet und ein eigenes schnuckeliges Bad im mindestens 16 Quadratmeter großen Apartment in bester Citylage. Mit dieser Ausstattung wirbt das »The Student Hotel« in der Schicklerstraße in Berlin-Mitte zwischen Jannowitzbrücke und Alexanderplatz.
Pünktlich zum Semesterstart am 14. Oktober hat das sechsgeschossige Haus seine Pforten eröffnet. Grundsätzlich kann hier jeder Tourist für eine Nacht oder länger absteigen. Aber anders, als es der Name »Hotel« vermuten lässt, richtet sich das Angebot primär an Studenten, die ein Zimmer für ein Semester oder auch zwei beziehen wollen. Dafür bietet das Haus neben dem eigenen Apartment auch schicke Gemeinschaftsräume, Bibliotheken und Gaming-Bereiche.
»Co-Living und Co-Working Hybrid-Business-Modell« nennt sich das Konzept, mit dem der niederländische Konzern in Europa erfolgreich ist. »Student Hotels« gibt es schon in Amsterdam, Barcelona, Paris, Den Haag, Florenz und Dresden. Klingt hip und modern, so ein Studentenhotel. Ist es auch. Einziger Wermutstropfen: Es ist auch ziemlich teuer. Wer zum Wintersemester 2019/20 einen Studienplatz in Berlin bekommen hat und noch auf der Suche nach einem Schlafplatz ist, muss für ein Standardzimmer im »The Student Hotel« satte 920 Euro monatlich hinblättern.
Für die meisten Studenten dürfte dieser Mietpreis das Budget weit übersteigen. Man bedenke, dass der BAföG-Höchstsatz derzeit bei 853 Euro liegt. »Für mich ist das viel zu teuer«, sagt auch Tobias Köppen. Der 25-Jährige hält einen Flyer vom Studentenhotel in der Hand, der ihm gerade am Alexanderplatz in die Hand gedrückt wurde. »Eine eigene Wohnung oder ein eigenes Zimmer wäre schon eine tolle Sache«, sagt Köppen, der im sechsten Semester im Bachelor Maschinenbau an der Beuth-Hochschule studiert. »Doch leider ist es auf dem angespannten Berliner Wohnungsmarkt verdammt schwer, etwas Passendes und vor allem Bezahlbares zu finden«, erzählt der junge Mann. Köppen kommt aus Berlin und hat seit Beginn seines Studiums Pläne für eine eigene Wohnung. Doch da es in der Hauptstadt insbesondere für Studenten an bezahlbarem Wohnraum mangelt, wohnt er noch im elterlichen Heim.
Das tun neben ihm immer mehr Studenten. Einer aktuellen Studie des Studentenjob-Anbieters »Studitemps« zufolge wohnt bundesweit jeder vierte Student bei seinen Eltern. In Großstädten wie Berlin oder Frankfurt am Main sind es sogar über 30 Prozent. »Die hohen Mieten lassen einen Schritt zu mehr Selbstständigkeit derzeit einfach nicht zu«, sagt Tobias Köppen. Dabei arbeitet er neben seinem Studium und könnte immerhin 500 bis 600 Euro für die Miete zahlen. Doch für ein WG-Zimmer im Innenstadtbereich reicht selbst das häufig nicht aus.
»Du kannst Hunderte Bewerbungen verschicken und bekommst doch nur Absagen. Die Wohnungssuche ist ein Alptraum«, sagt Köppen. Dabei liegt sein mögliches Mietbudget schon über dem Durchschnitt von rund 470 Euro. So viel müssen Berliner Studenten einer »Immowelt«-Studie zufolge für eine passende Unterkunft aufbringen. »Ich finde, der Senat sollte für mehr Wohnraum für Studenten sorgen«, meint Köppen.
Dieser Meinung ist auch der Berliner Mieterverein. »Obwohl die Probleme seit Jahren bekannt sind und sich jedes Jahr zum Semesterbeginn wieder zeigen, geht es viel zu langsam voran mit der Ausweitung des Wohnungsangebots für Studierende«, kritisiert Wibke Werner, stellvertretende Geschäftsführerin des Berliner Mietervereins. Bereits 2013 hatte der damalige Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) rund 5000 neue Studentenwohnungen in Aussicht gestellt. Davon sind sechs Jahre später 700 realisiert. »Es kann nicht sein, dass Zielvorgaben so stiefmütterlich behandelt werden«, kritisiert Werner.
Der Mieterverein fordert, die ausstehenden 4300 Studentenwohnungen zügig fertigzustellen. Angebote wie die Apartments vom Studentenhotel hält Werner nicht für die Lösung des Problems. »Für manche Studenten mag das eine Übergangsoption sein«, sagt Werner. Grundsätzlich könne sie aber nur warnen. »Viele Anbieter von möblierten Apartments nutzen die Notsituation von Studenten mit extrem hohen Mietkosten aus.«
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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