»Übernehmt die Kontrolle!«

Zoff zwischen Frankreichs Rugbyteam und dem Trainer

  • Pirmin Closse, Yokohama
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Forderung, die Frankreichs Rugby-Nationalteam am Mittwoch aus der Heimat erreichte, war unmissverständlich. »Schmeißt eure Trainer raus, übernehmt selbst die Kontrolle!«, sagte Mourad Boudjellal - Präsident beim einflussreichen Spitzenklub aus Toulon, dem viele der Nationalspieler angehören. Um die Mission bei der Weltmeisterschaft in Japan nicht zu gefährden, so glaubt nicht nur er, sollten »Les Bleus« ihr Schicksal in die eigene Hand nehmen.

Denn beim französischen Team rumort es vor dem Gruppenfinale am Sonnabend gegen England gewaltig. Die bisherigen Auftritte waren trotz dreier Siege in drei Spielen gegen Argentinien, Tonga und die USA und des damit gesicherten Viertelfinaleinzugs mehr als mäßig. Dass Trainer Jacques Brunel sich daraufhin mit Kapitän Guilhem Guirado überwarf und den 33-Jährigen absetzen will, brachte dann offenbar das Fass zum Überlaufen.

Zuletzt jedenfalls traten die Differenzen zwischen der Mannschaft und dem nach dem Turnier scheidenden Nationaltrainer offen zu Tage, mehrere Spieler stellten sich öffentlich hinter ihren Teamleader. Gael Fickou beispielsweise, der feststellte: »Es gibt keine Diskussion, wer unser Kapitän ist. Guilhem Guirado ist unser Kapitän. Wir stehen alle hinter ihm.« Und Maxime Medard betonte: »Er ist unser Anführer. Egal, ob er auf dem Feld steht oder nicht.« Dazu kommen in der Rugbynation Frankreich viele externe Stimmen - von Fans, Experten und Funktionären -, die den Konflikt zwischen Trainern und Team befeuern. Wie etwa Boudjellal, der mit beißender Ironie empfahl: »Japan ist ein schönes Land. Also: Lasst es euch gut gehen, liebe Trainer, und lasst eure Spieler ihre eigene Geschichte schreiben. Denn seit Jahren verstehe ich nicht, welchen Plan ihr für dieses Team habt.«

Die Situation erinnert in mancherlei Hinsicht an den Skandal bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika. Damals hatte die französische Nationalmannschaft, angetrieben von einigen Rädelsführern wie Franck Ribery und Nicolas Anelka, gegen Nationaltrainer Raymond Domenech rebelliert. Das »Fiasko von Knysna« - nach dem damaligen WM-Quartier benannt - hielt die Grande Nation lange in Atem.

So weit ist es bei den französischen Rugbyspielern derzeit noch nicht, doch die Situation vor dem Duell um den Gruppensieg gegen England ist mehr als angespannt. Den Erzrivalen bezeichnen die Franzosen selbst als »im Moment himmelweit überlegen« (Medard), und auch die möglichen Viertelfinalgegner Australien oder Wales scheinen enteilt. »Egal, gegen wen es geht, die sind beide besser als wir«, sagte Medard: »Wir müssen einfach das Nötige tun, um an unserem persönlichen D-Day bereit zu sein.«

Ob dazu auch eine Rebellion gegen den Trainer gehört, wird mit Spannung erwartet. Retten könnte Brunel das Wetter. Wegen des nahenden Taifuns Hagibis droht der Partie gegen England nämlich eine Absage. Für Brunel könnte also ausgerechnet der Sturm Ruhe inmitten des Wirbels bringen. SID/nd

App »nd.Digital«

In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.