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»Wie durch ein Wunder ist nicht noch mehr Unheil geschehen«
Der rechtsradikale Stephan B. scheiterte am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur bei dem Versuch ein Massaker unter den jüdischen Besuchern der Synagoge in Halle anzurichten
Am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur scheitert der Rechtsradikale Stephan B. bei dem Versuch ein Massaker unter den jüdischen Besuchern der Synagoge in Halle anzurichten. Polizeischutz gab es nicht. Harsche Kritik gab es deshalb vom Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster »Dass die Synagoge in Halle an einem Feiertag wie Jom Kippur nicht durch die Polizei geschützt war, ist skandalös.« Er fügte hinzu: »Wie durch ein Wunder ist nicht noch mehr Unheil geschehen.«
Weil er in die Synagoge nicht eindringen kann, erschießt B. zwei Menschen vor der Synagoge und in einem Imbiss und verletzt zwei weitere. Er überträgt seine Tat live, wie schon der Täter von Christchurch. Und wieder warten die Behörden nach der Tat mit der Einzeltäter-These auf. Als habe die Tat nichts zu tun mit dem NSU, Nordkreuz, Combat18 oder der Ermordung des Kassler Ratspräsidenten Walter Lübcke mutmaßlich durch den Rechtradikalen Stephan Ernst. Dabei spricht Innenminister Horst Seehofer selbst noch am Abend von einem antisemitischen Motiv. Der Generalbundesanwalt sieht zudem »ausreichend Anhaltspunkte für einen möglichen rechtsextremistischen Hintergrund«.
Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt, Henriette Quade, hat davor gewarnt, den mutmaßlichen Todesschützen von Halle als Einzeltäter abzutun. »Jemand, der so etwas tut, der sich dabei filmt, der sich vorher Waffen beschafft hat, hat ein Netzwerk«, sagte Quade am Donnerstag im Rundfunk Berlin-Brandenburg.
Es gebe auch »einen ideologischen Background« und Menschen, die den mutmaßlichen Täter bei seiner Radikalisierung begleiteten. Angesichts dieser Tatsachen von einem Einzeltäter zu sprechen, sei falsch und ignoriere den Terror, den diejenigen, die von Rechtsextremen bedroht seien, alltäglich erlebten.
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Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung Timo Reinfrank erklärt: »Der Anschlag von Halle zeigt die mörderische Dimension antisemitischer Weltbilder. Dass die Tat ausgerechnet an Yom Kippur, dem höchsten jüdischen Feiertag, verübt wurde, spricht für ein planvolles Vorgehen der Täter, ebenso wie ihre Kampfausrüstung. Die Parallelen zu den Terroranschlägen von Poway, Pittsburgh und Christchurch sind deutlich. Auch hier waren es rechtsextreme Täter, die im Namen einer antisemitischen und rassistischen Ideologie Menschen ermordeten.«
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann gibt der AfD eine Mitverantwortung an der Tat. »Das eine sind diese schrecklichen Gewalttäter, vor denen wir uns schützen müssen, das andere sind auch die geistigen Brandstifter, da sind in letzter Zeit auch einige Vertreter der AfD in unverschämter Weise aufgefallen«, sagte der CSU-Politiker im Interview mit dem Sender Bayern 2 des Bayerischen Rundfunks. Namentlich nannte Herrmann in diesem Zusammenhang den Thüringer AfD-Spitzenpolitiker, Björn Höcke.
Der FDP-Innenpolitikexperte Konstantin Kuhle forderte zwischen Bund und Ländern abgestimmte Schutzkonzepte für jüdische Einrichtungen in Deutschland. Dieses Thema müsse auf die Tagesordnung der nächsten Innenministerkonferenz gesetzt werden, sagte er dem »Handelsblatt« vom Donnerstag. Die Länder sollten gemeinsame Standards vereinbaren.
Kuhle verlangte darüber hinaus, den Ausbau von Spezialabteilungen für den Kampf gegen Rechtsextremismus bei Polizei und Verfassungsschutz schnell voranzutreiben. Die Sicherheitsbehörden müssten zudem genau klären, welche Netzwerke hinter dem Tatverdächtigen von Halle stünden.
Die israelische Botschaft in Berlin bezeichnete die Angriffe als »brutale Terroranschläge«. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu nannte die Attacken »am heiligsten Tag für unser Volk« einen »weiteren Ausdruck für Antisemitismus in Europa«. Er fügte hinzu: »Ich fordere die Behörden in Deutschland auf, weiterhin entschlossen gegen das Phänomen des Antisemitismus vorzugehen.«
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) übermittelte den Angehörigen der Opfer ihr tiefes Beileid. Die Solidarität gelte allen Jüdinnen und Juden am Feiertag Jom Kippur, schrieb Regierungssprecher Steffen Seibert auf Twitter. Am Abend nahm Merkel an einer Solidaritätsveranstaltung an der Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin teil.
Auch in anderen deutschen Städten versammelten sich Menschen in der Nähe von Synagogen und gedachten der Toten. In Halle legten Menschen am Marktplatz Blumen und Kerzen nieder.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wird am Donnerstag den Tatort an der Synagoge in Halle besuchen. Geplant ist ein gemeinsamer Termin um 11.30 Uhr mit dem Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff (CDU), an dem auch Vertreter der örtlichen jüdischen Gemeinde teilnehmen sollen, wie die Staatskanzlei in Magdeburg mitteilte. Steinmeier will sich laut Bundespräsidialamt selbst ein Bild vor Ort machen. Agenturen/nd
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