Mehr Geld, sonst bleibt der Dreck

Deutschlandweit streiken Gebäudereiniger für einen neuen Rahmentarifvertrag

  • Marion Bergermann
  • Lesedauer: 3 Min.

Vielleicht muss es erst richtig dreckig werden, bevor Gebäudereiniger*innen unter besseren Bedingungen arbeiten. Um das zu erreichen, haben Reinigungskräfte am Donnerstag in mehreren Großbetrieben Deutschlands gestreikt. In Berlin demonstrierten sie vor dem Werk des Chemieunternehmens Bayer für einen neuen und besseren Rahmentarifvertrag.

»Weihnachtsgeld, Weihnachtsgeld!«, rufen die Gebäudereiniger*innen, als ein Gewerkschafter ein Gruppenfoto vor dem Eingang an der Fennstraße macht. Etwa 150 Teilnehmer*innen seien gekommen, sagt die Gewerkschaft Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU), die zu dem Streik aufgerufen hatte. »Wir werden von Tag zu Tag streikbereiter - es sind viele, die mitmachen. Die Arbeitgeber müssen das ernst nehmen«, sagt Nikolaus Landgraf, Regionalleiter der IG BAU, dem »nd«, während im Hintergrund Musik aus einer Box schallt. Putzen ist kein leichter Job. Landgraf betont, dass es Standards brauche, um Industrieanlagen und Krankenhäuser zu reinigen.

Einige der Streikenden vor dem Bayer-Gebäude tragen weiße Masken, wie auch an anderen Streikorten in Deutschland. Das soll für »die Unsichtbaren« stehen, so die Gewerkschaft. Die Idee dahinter ist, dass Arbeitnehmer*innen die Reinigungsarbeit oft nicht wertschätzen. Wenn man an den Arbeitsplatz kommt, ist dieser meist schon sauber geputzt.

Petra, 59 Jahre alt, ist eine der Streikenden. Sie arbeitet seit 37 Jahren als Reinigungskraft bei Gegenbauer, einem der größten Gebäudereinigungs-Dienstleister Deutschlands. Morgens reinigt Petra, die lieber ohne Nachname in der Zeitung stehen möchte, erst bei Siemens etwas weiter südwestlich in Berlin, danach in der Küche bei Bayer. »Wir sind alle hier, damit wir einen vernünftigen Rahmentarifvertrag bekommen. Dass auch Weihnachtsgeld gezahlt wird und die Zuschläge nicht gekürzt werden.« An diesem Donnerstag demonstriert sie mit Kolleg*innen von Gegenbauer und anderen Firmen aus der Branche wie Piepenbrock oder Peter Schneider.

Grund für die Warnstreiks sind die andauernden Tarifverhandlungen für Gebäudereiniger*innen. Die sechste Verhandlungsrunde zwischen der IG Bau und Arbeitgebern war letzte Woche ergebnislos geblieben. Die IG Bau fordert unter anderem Überstundenzuschläge für Teilzeitbeschäftigte sowie für Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit. Bisher lehnen die Arbeitgeber eine Erhöhung ab.

Am Dienstagmorgen hatten Reinigungskräfte unter anderem an den Flughäfen Berlin-Tegel und Düsseldorf für einige Stunden ihre Arbeit niedergelegt. Auch für diesen Freitag hat die Gewerkschaft deutschlandweit zu Streiks vor Industrieobjekten aufgerufen.

Vor dem Bayer-Werk in Berlin ist die Stimmung am Morgen ausgelassen. Iwona Kundt arbeitet hier als Servicehilfskraft im Strahlenschutz und schult die Personen, die dort putzen, wo radioaktive Materialien verwendet werden. Außerdem ist sie bei Gegenbauer, wo sie seit 1993 arbeitet, im Betriebsrat. »Sich nicht einschüchtern zu lassen ist wichtig.« Sie kritisiert, dass bei Betriebsversammlungen zwar Gewinne verkündet würden, es aber »keine Prämie, gar nichts« für die Angestellten gebe.

Gegenbauer machte letztes Jahr nach eigenen Angaben einen Umsatz von rund 732 Millionen Euro. Der Reinigungs-Dienstleister wollte sich gegenüber dem »nd« nicht zu dem Streik und den Tarifverhandlungen äußern und verweist auf die Aussagen des Bundesinnungsverbandes der Gebäudereiniger.

Der Verband wiederum bezieht sich auf die steigenden Löhne durch die Lohnangleichung Ost/West 2020. »Die IG BAU muss endlich einsehen, dass aufgrund dieser enormen Kraftanstrengung kein Raum für eine zusätzliche Lohnerhöhung vor 2021 durch das geforderte Weihnachtsgeld besteht. Für 2021 hat die Arbeitgeberseite längst Gespräche hierüber angeboten.«

»Wir haben gezeigt, dass die Unsichtbaren gesehen werden wollen. Dass sie Anerkennung möchten, und das auch im Portemonnaie«, sagte Antonia Kühn dem »nd«. Als IG-BAU-Regionalleiterin war sie am Donnerstag beim Streik vor ThyssenKrupp in Duisburg dabei. Etwa 80 Menschen legten dort ab vier Uhr morgens die Arbeit nieder, berichtete Kühn. Auch vor den VW-Werken in Wolfsburg und Kassel, dem BMW-Werk im bayerischen Dingolfing wurde gestreikt.

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