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Die Kino-Eule privat
Reinhold Andert und Matthias Biskupek erinnern an Renate Holland-Moritz
Angesichts der Flut von Büchern und Artikeln über eine finstere DDR braucht es Publikationen wie die hier anzuzeigende. Sie bürstet frech gegen den Strich. Durfte man im »Gefängnis DDR« überhaupt lachen? Beantwortet wird das glaubwürdig in der Erinnerung an und mit Renate Holland-Moritz.
• Reinhold Andert/Matthias Biskupek: Du mit Deiner frechen Schnauze. Renate Holland-Moritz – Anekdoten und Briefe.
Quintus-Verlag, 176 S., geb., 19,90 €.
Von der ersten bis zur letzten Zeile ist ihr Zeugnis echt. Echt komisch. Alles konkret. Und scharf gewürzt. Die Filmkritikerin und Satirikerin hatte eine eigene, populäre Kolumne im »Eulenspiegel«. Unbefangen, aber nicht unbedarft fing sie dort an, schrieb - und siegte. 1956 war das, ab 1960 füllte sie die Rubrik »Kino-Eule«. Gelegentlich sprang sie mit Scherzprosa auf die benachbarte, literarische Seite 7 über. Wieso? Um ihre eigentliche Natur zu zeigen. Dadurch prädestinierte sie sich für höhere Weihen, für den Fernsehfilm »Florentiner 73« und den Kinostreifen »Der Mann, der nach der Oma kam«. Sensation: Eine filmkritische Edelfeder drang in die drehbuchschreibende Zunft ein. Die zweite Sensation: Das Weiterleben der »Kino-Eule« nach Wende und Vereinigung bis 2015.
»Du mit Deiner frechen Schnauze« ist der Band mit Anekdoten und Briefen aus ihrer Feder überschrieben. »Frei Schnauze« heißt hier grundehrlich. Unverstellt. Stets geht es um Menschen. Ihr Finden und Befinden. Um die Schauspielerei auf der Bühne, auf dem Bildschirm, auf der Leinwand. Das Falsche ausfindig machen, das Wahrhaftige entdecken. Vom vitalen Temperament der Autorin gewitzt bis geistreich gespiegelt. Matthias Biskupek und Reinhold Andert, von ihr scherzhaft zu ihrer »Boygroup« geadelt, fühlten sich der Bewahrung der Hinterlassenschaft der 2017 gestorbenen Publizistin verpflichtet und haben für die Drucklegung Texte sorgfältig ausgewählt und sortiert.
Deutlich wird bei der Lektüre: Alles Arrivierte war Renate Holland-Moritz suspekt. Sie urteilte schonungslos. Nie ungerecht. Die Anekdoten zum Talk in der Ostberliner »Galerie 100« zeigen, wie lustvoll lustig sie sich über alles und alle lustig zu machen traute. Über den ehrwürdigen Erwin Geschonneck anders als über den nicht mehr jung gebliebenen Winfried Glatzeder. Sie belächelt, wie der eine beim Talk nicht aufhört, Küchenlieder zu trällern; lächerlich findet sie, wie der andere sich erst nach beglichener Taxi-Rechnung herablässt zum Gespräch. Ihre Beziehung zu »psychologisch gebildeten, weil mosaisch erzogenen Altkadern« wie Berta Waterstradt verrät ihre Nähe zum jüdischen Witz. Überraschend in diesem Kontext ihr hypersensibler Briefkontakt zu den Holocaust-Überlebenden Fred Wander und Peter Edel.
Kaum zu glauben: Filmkritik mit hohem Unterhaltungswert soll es im Land der staatlich begrenzten Möglichkeiten tatsächlich gegeben haben?
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