Unfassbare Vermögen

An der Spitze der Vermögenspyramide spielt immer auch Steuervermeidung und ein ungerechtes Steuersystem eine Rolle

  • Nico Beckert
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Ungleichheit in vielen westlichen Ländern steigt. In Deutschland hat sie ein neues Rekordniveau erreicht wie erst kürzlich eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung zeigte. Sogar der IWF schlug dieses Jahr Alarm. Wie krass das Missverhältnis zwischen der normalen Bevölkerung und den »Überreichen« dieser Welt ist, wird durch Zahlen aus dem Forbes Ranking »The World’s Billionaires« ersichtlich.

Nach neusten Zahlen von 2019 steht das Vermögen der 10 reichsten Menschen derzeit bei über 740 Milliarden Euro. Seit der Finanzkrise 2008 hat es sich fast verdreifacht.

Hinter diesem Reichtum stehen einige der bekanntesten Namen der globalen Wirtschaft: Jeff Bezos (Amazon), Bill Gates (Microsoft), Warren Buffett (Berkshire Hathaway), Mark Zuckerberg (Facebook), Ingvar Kamprad (IKEA), aber auch etwas unbekanntere Namen wie Amancio Ortega (u.a. Zara) und Carlos Slim (Telmex).

An den Namen wird ersichtlich: An der Spitze der Vermögenspyramide spielt immer auch Steuervermeidung und ein ungerechtes Steuersystem eine Rolle. Jeff Bezos Amazon oder Ikea, dessen Gründer Ingvar Kamprads 2018 verstarb, gelten als Paradebeispiel der Steuerflucht. Diese Unternehmen tauchen immer wieder in diversen Steuerleaks wie den LuxLeaks auf. Warren Buffett kritisiert sogar öffentlich, dass er weniger Steuern zahlen müsse als seine Sekretärin. Er verweist auf das Steuersystem der USA. Durch zahlreiche Reformen, zuletzt Trumps Steuerreform von 2018, wurden die Einkommenssteuersätze der Reichen immer stärker gesenkt. Gleichzeitig wurden indirekte Steuern – Mehrwert- und Verbrauchssteuern – erhöht. Da ärmere Haushalte einen größeren Anteil ihres Einkommens konsumieren müssen, sind sie von diesen indirekten Steuern stärker betroffen. Eine zunehmende Ungleichheit ist die Folge, wie zuletzt die Berkeley-Ökonomen Gabriel Zucman und Emmanuel Saez in ihrem Buch »The Triumph of Injustice« verdeutlicht haben.

Auch bei der Entstehung dieser horrenden Vermögen lassen die Namen und die Unternehmen dahinter einige Rückschlüsse zu. Amazon, Walmart (Walton-Familie) oder Zara stehen immer wieder wegen schlechter Arbeitsbedingungen in der Kritik. Die Arbeiter in den Paketzentren Amazons werden ständig elektronisch überwacht. Tarifverhandlungen werden seit Jahren umgangen, sodass sich Amazon weder an Tariflöhne halten, noch feste Urlaubs- und Weihnachtsgelder zahlen muss. Der Versandriese übernimmt hier Praktiken von Walmart, das schon 2007 von Human Rights Watch wegen der Missachtung von Arbeitnehmerrechten kritisiert wurde.

Das Vermögen von Amancio Ortega, Gründer der Modekette Zara, verdeutlicht die Ausbeutung am Beginn der globalen Lieferketten. Hier schuften zumeist Arbeiterinnen unter miserablen Bedingungen und zu Hungerlöhnen in den Textilfabriken in Pakistan, Bangladesch oder Indien.

Die Marktdominanz von Amazon, Facebook, Microsoft, Walmart, Zara, Telmex und Co. ist eine weitere Ursache für die riesigen Vermögen der »Überreichen« – wie der Ökonom Martin Schürz von der Österreichischen Nationalbank sie nennt. Unternehmen, die ihren Wirtschaftszweig dominieren, können Zulieferern viel härtere Bedingungen stellen als Mittelständler. Kommt es zu einer monopolartigen Dominanz, können Unternehmen wie Carlos Slims Telmex die Endverbraucherpreise künstlich hoch halten. Und Amazon, Facebook und Co. drängen potenzielle Neueinsteiger und Start-Ups konsequent vom Markt oder kaufen sie auf. Dadurch leidet die Innovationsfähigkeit der Wirtschaft, wodurch innovationsbedingte Preissenkungen ausbleiben.

In den USA schlagen Wissenschaftler wie Zucman und Saez, aber auch die Demokratin Elizabeth Warren zur Überwindung der Ungleichheit eine Reichensteuer und eine Rückkehr zu einem gerechten Steuersystem vor. Für Deutschland schlug der IWF im Juli 2019 Steuerentlastungen für Normalverdiener und ärmere Haushalte, sowie höhere Löhne und einen Ende des Exportbooms vor. Gleichzeitig beklagen Ökonomen wie Martin Schürz in der »Wirtschaftswoche«, dass es in Deutschland kaum brauchbare Daten über die »tatsächliche Vermögenssituation der Überreichen« gibt. Diese Datenlücke müsse dringend geschlossen werden, um »politischen Handlungsdruck« zu erzeugen, so Schürz.

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