- Wirtschaft und Umwelt
- Kaffeeanbau
Entschädigung für vertriebene Familien zieht sich
Dorfbewohner in Uganda mussten im Jahr 2001 für eine Kaffeeplantage der Neumann Gruppe ihr Land verlassen. Der Rechtsstreit geht weiter
Seit Langem kämpfen die ehemaligen Bewohner*innen des ugandischen Dorfes Mubende für eine Entschädigung, weil sie gezwungen wurden, ihr Land zu verlassen. In einem Mediationsverfahren zwischen den Vertriebenen, der Kaweri-Kaffeeplantage und dem Staat hat die Regierung des ostafrikanischen Staates jetzt einen finanziellen Ausgleich vorgeschlagen. Das Verfahren war vom Obersten Gericht Ugandas angeordnet worden.
Die Regierung hatte im August 2001 Hunderte Familien mit Hilfe der Armee aus Mubende vertreiben lassen, um Platz für die Kaffeeplantage zu schaffen. Diese wurde von der Neumann Kaffee Gruppe mit Sitz in Hamburg aufgebaut. Die Bewohner*innen von Mubende, etwa 140 Kilometer westlich der Hauptstadt Kampala gelegen, klagten auf Entschädigung. Vor wenigen Tagen bot die Regierung vor der zweiten Runde des Mediationsverfahrens eine Entschädigung von 1,907 Milliarden ugandischen Schilling an. Das sind rund 467 000 Euro.
Peter Kayiira, Vertreter der Vertriebenen, nennt die vorgeschlagene Summe gegenüber »nd« »lächerlich«. Die Regierung sei sich aber darüber im Klaren, dass viele der Vertriebenen bereit seien, jegliches Angebot anzunehmen. Weil sie »zu arm und müde sind vom endlosen Rechtsstreit«, so Kayiira. Die ehemaligen Dorfbewohner wüssten nicht, ob sie, wenn sie »den geringen Betrag« jetzt ablehnen, jemals erfolgreich gegen die Regierung und das Unternehmen sein würden.
In einer Reportage der »Deutschen Welle« von 2017 berichteten Vertriebene, dass sie damals ihre Besitztümer nicht mitnehmen durften und diese von der Armee zerstört wurden. Einige Kinder seien danach verhungert, weil die obdachlos gewordenen Dorfbewohner*innen nicht genug zu essen auftreiben konnten.
Auch die Menschenrechtsorganisation FIAN hält die Entschädigungssumme für zu niedrig. »Der angebotene Betrag bedeutet, dass jeder der Kläger nur 116 Euro für die Zerstörung seines gesamten Eigentums und 18 Jahre Leiden erhalten würde«, teilte FIAN-Mitarbeiterin Gertrud Falk mit, die sich schon seit 2003 mit dem Fall beschäftigt. Sie geht davon aus, dass damals rund 4000 Bewohner*innen vertrieben wurden. Die NGO verlangt von der Regierung und von der Neumann Kaffee Gruppe, die mit am Verhandlungstisch sitzt, eine angemessene Entschädigung.
Das Unternehmen, das nach eigenen Angaben weltweit 49 Tochterunternehmen in 27 Ländern hat und sich als »weltweit führenden Rohkaffeedienstleister« bezeichnet, hat bislang selbst kein Angebot gemacht. Auf nd-Anfrage teilte Neumann schriftlich mit, das Unternehmen begrüße das Mediationsverfahren »ausdrücklich«. Auf die Frage, ob die Neumann Gruppe vorhabe, ein eigenes Entschädigungsangebot für die betroffenen Familien vorzulegen, antwortete der Sprecher: »Wir werden schwebenden Dingen nicht durch Aussagen in der Presse oder an anderen öffentlichen Plätzen vorgreifen.«
Auf der Webseite des Kaffeekonzerns ist zu lesen, dass er sich wohl eher nicht verantwortlich fühlt: Die Tochterfirma Kaweri Coffee Plantation Ltd. sei »nie Eigentümer dieses Landes gewesen. Vielmehr hat Kaweri den Grund und Boden im Jahr 2001 für 99 Jahre vom ugandischen Staat gepachtet - und zwar unter der Voraussetzung, dass es sich um einen ›clean title‹ handelt, also um Land, das frei von Ansprüchen jeglicher Art ist«.
FIAN sieht Neumann dagegen sehr wohl in der Pflicht. »Wir haben eidesstattliche Aussagen der Vertriebenen, dass Manager der Kaweri-Kaffeeplantage dabei waren, als Soldaten und Regierungsvertreter am Abend vor der Räumung die Dorfbewohner einschüchterten. Es ist nicht bekannt, dass sie versucht haben, einzugreifen, um eine Räumung zu verhindern«, berichtet Gertrud Falk.
Für sie kommt ein weiterer Aspekt hinzu: Drei Tage nach der Vertreibung sei die Plantage eingeweiht worden. Der ugandische Präsident Yoweri Museveni, der deutsche Botschafter und der damalige Unternehmenschef von Neumann seien dabei gewesen. »Sie müssen gesehen haben, dass dort Dinge gewalttätig zerstört worden sind«, so die Menschenrechtsaktivistin.
Der Fall Mubende war immer wieder in den Medien. Auch den Vereinten Nationen ist er bekannt. Dessen Sozialausschuss kritisierte 2015 das Vorgehen der Regierung und äußerte sich in einem Bericht besorgt darüber, dass bisher keine Landrechte zurückerstattet worden seien.
In Uganda zieht sich die Mediation wohl noch hin. Die Anwälte der Vertriebenen haben schriftlich mitgeteilt, dass die Entschädigungssumme zu niedrig sei. Die Staatsanwaltschaft hat sich nun Zeit bis zum 19. November auserbeten, um darauf schriftlich zu antworten, erklärt FIAN-Aktivistin Falk.
Peter Kayiira stellt sich auf eine noch lange Auseinandersetzung ein: Er will bis zu einer angemessenen Entschädigung und bis zur Rückerstattung der Landrechte weiterkämpfen.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.