»Paten« auf der Spur von Umweltsündern

Ertappte illegale Müllentsorger zeigen kaum Unrechtsbewusstsein

  • Harald Lachmann
  • Lesedauer: 4 Min.

Esel, Hund oder Katze machen auch mal einen Haufen. Doch bei den rund 4000 Haufen, die in Bremen jährlich an die Stadtreinigung gemeldet werden, handelt es sich nicht um Hinterlassenschaften der Bremer Stadtmusikanten. Die Verursacher sind scheinbar zivilisierte Bürger, die klammheimlich ihren Unrat am Straßenrand entsorgen - von Tapetenresten über morsche Möbel bis zu rostigen Fahrrädern. In anderen Kommunen ist es kaum besser. Experten sprechen von hohen Kosten, die auf die Rathäuser zukommen, um den Müll wieder zu entfernen. Allein in Köln summiert sich solch illegaler Abfall auf täglich mehrere Tonnen und damit Mehrausgaben von rund sieben Millionen Euro im Jahr. In Essen landen in Altpapiercontainern verstärkt Fremdeinwürfe wie Kleidung oder Behälter mit gefährlichen Flüssigkeiten.

Jede Stadt versucht auf ihre Weise, das Problem zu packen, das sich Neudeutsch Littering nennt: das gleichgültige Wegwerfen von Kippen, Kaugummis oder auch schon mal halben Kofferraumladungen an Haushaltabfall. Zumeist erhöht man dann als erstes den Bußgeldkatalog. Die Strafen hierfür pendeln bundesweit zwischen 40 und 1000 Euro - vorausgesetzt, man erwischt die Verursacher. In Bremen versucht man das zumindest: Trupps von Stadtreinigung und Ordnungsamt markieren etwa illegale Müllhaufen per Flatterband und einem warnenden Schild: »Wir ermitteln!« Und tatsächlich, so heißt es, hinterlasse mancher Dreckspatz persönliche Spuren in seinem Abfall, die dann zu ihm führten.

Auch im sächsischen Delitzsch machte man solche Erfahrungen. Stärker setzt man aber auf die abschreckende Präsenz von Mitarbeitern des Bürgerbüros, die täglich Streife laufen. In Essen überwachen Stadtbedienstete die Containerstandorte. Doch dies bindet auch Leute, von denen eine Kommune selten genug hat. So schränkt Personalmangel die abschreckende Wirkung von Bußgeldern ein. Denn um diese einzutreiben, müsse der Vollzugsdienst auch ausreichend präsent sei, heißt es in einer Studie der Heinrich-Böll-Stiftung zum Thema Illegale Müllentsorgung.

Also greift manche Kommune quasi auf ehrenamtliche Spitzel zurück, etwa in Nordrhein-Westfalen. Die heißen »Paten« wie in Siegen oder »Waste-Watchers« wie in Hagen, aber ihr Tun ist das eines Schnüfflers: In Hagen klingeln sie an Haustüren, um zu erkunden, ob jemand etwas bemerkt hat, wenn sich in der Nähe illegaler Dreck türmt. Ein »Mülldetektiv« fotografierte anfangs sogar im Auftrag der Stadt Abfallsünder, notierte selbst nachts Uhrzeit und Kfz-Schild. Offenbar mit Erfolg: Allein aus Angst, erwischt zu werden, wurden die Dreckberge weniger. Von jenen, denen man auf die Schliche kam, kassierte das Rathaus in zwei Monaten 22 300 Euro Bußgelder. Dann bekam das Hagener Rechtsamt kalte Füße, sah damit auch Persönlichkeitsrechte verletzt - und entließ den Detektiv. Doch jene, die ertappt werden, zeigen nach Erfahrung von Ordnungsämtern »kaum Unrechtsbewusstsein«. Mancher fühle sich gar moralisch im Recht, weil in vielen Kommunen und Kreisen versteckt die Müllgebühren steigen: Statt einer Jahrespauschale muss jede geleerte Tonne bezahlt werden.

Im Gegenzug versucht es manche Kommune ebenfalls mit Moral: Mit Infokampagnen appelliert sie an das Bewusstsein, gerade unter jungen Leuten. Bei offiziellen Müllsammelaktionen in Frankfurt am Main erläutern Mitarbeiter der Entsorgungsbetriebe den Schülern gleich noch, dass sich eine Bananenschale erst nach vier Jahren völlig zersetzt hat, eine Plastiktüte gar erst in 16 Jahren.

Zunehmend als Mittel der Aufklärung dienen öffentliche Frühjahrsputz- oder Müllsammelaktionen, so in Hannover, Magdeburg, Schwerin oder im Bergischen Land. Ältere Ostdeutsche fühlen sich dann an Subbotniks erinnert. Doch inzwischen gelten selbst solche Kampagnen als umstritten, erste Kommunen stellten sie wieder ein, etwa Dessau-Roßlau. Denn - so die Erfahrung - damit erreiche man kaum jene, die Abfall illegal entsorgen. Und wenn doch, so die Böll Stiftung, locke man noch die Falschen an. Denn »Bürger wie auch Firmen hätten diese Aktionstage als Chance gesehen, ihre eigenen Abfälle auf Kosten der Allgemeinheit zu entsorgen«.

Zunehmender Beliebtheit erfreuen sich dagegen Müllkippen-Apps. Anfangs boten diese nur einzelne Kommunen an, damit Einwohner die zuständige Stelle anfunken, wenn sie irgendwo illegalen Dreck sehen. Da dies in einer zunehmend vernetzten Gesellschaft jedoch Insellösungen gleichkam, nutzen inzwischen gut 9500 Kommunen eine App, die faktisch in allen 11 000 deutschen Städten und Gemeinden anwendbar ist. Sie funktioniert über Smartphone wie auch die Homepage muell-weg.de, ohne dass man sich erst registrieren muss. Denn die App erkennt mittels GPS, woher man sich meldet oder Fotos hochlädt und informiert selbstständig die betroffene Gemeinde.

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