- Kommentare
- Obdachlose
Solidarität statt Mitleid
Marie Frank über die Unterbringung von Obdachlosen
Wenn die Nächte wieder kälter werden, wird auch die Diskussion über die Unterbringung von obdachlosen Menschen wieder lauter. Denn viele von ihnen wollen oder können aus den unterschiedlichsten Gründen, etwa aufgrund einer Suchterkrankung oder wegen ihres Hundes, nicht in die Einrichtungen der Kältehilfe gehen. Bisher gab es für diese Menschen als letzte Option nur die sogenannten Kältebahnhöfe, die weder für die Obdachlosen noch für alle anderen eine gute Lösung sind.
Als die BVG aufgrund der vielen Beschwerden im vergangenen Winter mit einer Schließung der Kältebahnhöfe drohte, war die Empörung groß. Was folgte, war eine unwürdige Diskussion, in der sich Senat und BVG gegenseitig die Schuld für den nächsten möglichen Kältetoten in die Schuhe schoben. Daraus scheinen die Verantwortlichen gelernt zu haben. Statt Streitereien auf dem Rücken der Betroffenen gibt es in diesem Jahr eine pragmatische Lösung: Ab Mitte November wird es statt der Kältebahnhöfe eine Warte- und Wärmehalle in Kreuzberg geben.
Das ist für alle Beteiligten eine gute Nachricht. Nicht nur für die BVG, deren Mitarbeiter*innen und Kund*innen sich über Müll, Fäkalien, Drogenkonsum sowie Belästigungen und Gewalt in den Kältebahnhöfen beschwerten. Auch für die Obdachlosen selbst ist das eine deutliche Verbesserung, denn für sie ist der Aufenthalt in einem U-Bahnhof alles andere als menschenwürdig. Sind sie doch dort verächtlichen Blicken und Übergriffen schutzlos ausgeliefert.
Doch bei aller Freude über die Verbesserung der Unterbringungssituation darf sich die Stadtgesellschaft jetzt nicht einfach zurücklehnen. Nur weil die Obdachlosen nun nicht mehr so sichtbar sind, heißt das nicht, dass das Problem verschwunden ist. Obdachlosigkeit ist und bleibt eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Und Obdachlose verdienen zuallererst nicht unser Mitleid, sondern unsere Solidarität.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.