Demokraten müssen reden

Robert D. Meyer ist dafür, eine Minderheitsregierung in Thüringen wenigstens auszuprobieren

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 2 Min.

Die Zeiten sind noch nicht lange her, da konnte so manche siegreiche Partei nach einer Landtagswahl mit absoluter Mehrheit regieren. In Thüringen lenkte die CDU zwischen 1999 und 2009 erst unter Ministerpräsident Bernhard Vogel, später unter Dieter Althaus allein die Geschicke im Freistaat. Doch mit der immer stärkeren Differenzierung der politischen Parteienlandschaft und der Erosion der sogenannten Volksparteien wird diese Vergangenheit nicht mehr wiederkommen. Das ist Fakt.

Mit dem Erstarken der AfD, im Osten kommt die Partei auf Ergebnisse von bis zu einem Viertel der Wählerstimmen, reichen selbst Bündnisse aus zwei oder drei Parteien nicht mehr, um eine regierungsfähige Mehrheit bilden zu können. Immer vorausgesetzt, die CDU bleibt dabei, eine Zusammenarbeit mit der extremen Rechten auszuschließen.

Kontra: Minderheitsregierung
Es gibt nur eine Möglichkeit für Bodo Ramelow, auch im neuen Landtag zum Thüringer Ministerpräsidenten gewählt zu werden. Seine Linkspartei müsste auch mit CDU oder FDP zusammenarbeiten. Wenn die LINKE ihr Programm ernst nimmt, sollte sie hiervon Abstand nehmen.

Halten die Christdemokraten weiter Abstand zu den Antidemokraten, die in Thüringen ein Faschist anführt, bleibt im Freistaat genau eine Option: die Minderheitsregierung. Dass diese von Bodo Ramelow und der Linkspartei angeführt werden muss, erklärt sich hinlänglich aus den Wahlergebnissen. Es wäre die reine Ignoranz gegenüber dem Wählervotum, würden Wahlverlierer Mike Mohring und die CDU versuchen, doch noch in die Erfurter Staatskanzlei einzuziehen.

Es ist schon absurd: Eine Partei wie die CDU, die sich in jeder Sonntagrede als die staatstragende Instanz geriert, bringt es nicht fertig, ihrem eigenen Anspruch gerecht zu werden und sich stattdessen in ideologische gefärbte Ausreden über »politische Mitte« und »Ränder« rettet, die schon allein deshalb nicht stechen, weil der damit diskreditierte Ramelow heißt. Und der gewann die Wahl auch, weil er in den letzten fünf Jahren bewiesen hat, dass er ein staatstragender Ministerpräsident ist. Die CDU sollte nichts unternehmen, was seine erneute Wahl torpedieren könnte.

Was danach käme, wäre ein politisches Experiment und gleichzeitig doch Kern der Demokratie: Jede von der Regierung ins Parlament eingebrachte Gesetzesinitiative müsste mit dem demokratischen Teil der Opposition verhandelt werden, die dadurch indirekt mit auf der Regierungsbank säße. Eine Totalblockade kann sich keiner der Beteiligten leisten. Das würde allein der AfD nutzen. Sie könnte mit dem Finger auf alle zeigen und krakeelen: »Seht her, die kriegen es nicht hin.« Einen Versuch ist es deshalb wert. Scheitern ist möglich. Aber auch das gehört zur Demokratie dazu.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.