- Politik
- Brasilien
Lula bald ein freier Mann
Oberster Gerichtshof in Brasilien macht Weg für Freilassung von Ex-Präsidenten frei / Jubelfeiern im ganzen Land
»Die Verfassung hat gesiegt«, sagte Tylle Chaves von der Arbeiterpartei PT dem »nd«. Der Aktivist aus São Paulo zog nach Curitiba, als Lula verhaftet wurde und beteiligt sich seitdem an einer Mahnwache vor dem Gefängnis, in dem Lula inhaftiert ist. »Es ist ein kleiner Schritt - aber es zeigt uns, dass die Justiz anfängt, Vernunft zu beweisen.« Am Donnerstagabend hatte der Oberste Gerichtshof (STF) darüber abgestimmt, ob es verfassungswidrig ist, Beschuldigte zu inhaftierten, die in zweiter Instanz verurteilt wurden. 2016 hatte der STF entschieden, dass eine Haft möglich ist, auch wenn noch nicht alle Rechtsmittel ausgeschöpft sind.
Fünf Richter*innen des STF stimmten dafür, fünf dagegen. Somit lag die Entscheidung beim Präsidenten des STF, Dias Toffoli. Dieser stimmte mit Bezug auf die Verfassung gegen eine Haft für in zweiter Instanz Verurteilte. Davon wird nun voraussichtlich auch Lula profitieren.
Seit April 2018 sitzt der Ex-Präsident der Arbeiterpartei PT wegen Korruption und Geldwäsche hinter Gittern. Dem populären Sozialdemokraten wird unter anderem vorgeworfen, ein dreistöckiges Apartment in der Küstenstadt Guarujá von einem Baukonzern als Gegenzug für Gefälligkeiten erhalten zu haben. Lula, der von 2003 bis 2010das südamerikanische Land regierte, bestreitet alle Vorwürfe und spricht von einer politischen Kampagne.
Das jüngste Urteil bezieht sich allerdings nicht auf die Urteile des Korruptionsprozesses Lava Jato, hebt die Urteile gegen Lula nicht auf und der charismatische Ex-Gewerkschafter ist weiterhin von Wahlen ausgeschlossen – vorerst zumindest. Doch der STF will bald über eine Annullierung der Urteile aufgrund von Befangenheit des Richters Sérgio Moro diskutieren. Auslöser dafür sind Veröffentlichungen des Enthüllungsmediums »The Intercept Brasil«, die einen Komplott gegen Ex-Präsident Lula und die PT nachweisen sollen. Sollte eine Mehrheit dafür stimmen, müssten alle Prozesse gegen Lula neu aufgerollt werden – und der Politiker könnte bei den Wahlen im Jahr 2022 kandidieren.
Im ganzen Land fanden am Donnerstagabend spontane Jubelfeiern statt. In der Innenstadt von São Paulo versammelten sich an unterschiedlichen Orten Anhänger*innen von Lula. »Ich bin überglücklich über das Urteil«, sagte Gabriela Faria dem »nd«. Die 34-Jährige trägt ein gelb-grünes T-Shirt mit dem Konterfei des Ex-Präsidenten auf der Brust und hat Tränen in den Augen, während sie spricht. »Für uns ist Lula nicht nur ein Politiker, sondern eine Idee von einem gerechteren Brasilien.«
Es wird erwartet, dass Lula bereits am Freitag das Gefängnis verlassen darf. Allerdings muss eine Richterin in Curitiba die Freilassung erst noch bestätigen. Lula hat erklärt, die erste Nacht bei seinen treusten Anhänger*innen an der Mahnwache zu verbringen, wenn er freigelassen wird.
Nach Angaben von Chaves startet nun eine neue Phase der Mobilisierung. Laut dem Aktivisten der PT müsse vor allem für die Sicherheit von Lula gesorgt werden. »Ein Angriff auf Lula ist kein Hirngespinst. Falls er wirklich freikommt, werden wir alle nötigen Sicherheitsvorkehrungen treffen.«
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.