BVG braucht neue Chefin

Nach über neun Jahren wechselt Sigrid Nikutta als Gütervorstand zur Bahn.

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

»Der Bahnvorstand hat mir gesagt: Sie überlegen, welchen Schal sie mir schenken«, berichtet Sigrid Nikutta, Noch-Chefin der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG). Ihr Halstuch im Urban Jungle genannten Würmchenmuster der Sitzbezüge ist eines ihrer Erkennungszeichen geworden. Zum Jahresende verlässt sie den größten kommunalen Verkehrsbetrieb Deutschlands und fängt bei der Deutschen Bahn an. Als Vorständin soll sie die krisengeschüttelte und hochdefizitäre Gütersparte wieder auf Kurs bringen.

»Herzlichen Glückwunsch, dass Sie es geschafft haben, die Deutsche Bahn zu überzeugen«, sagt Berlins Betriebe-Senatorin Ramona Pop (Grüne) bei der Pressekonferenz am Freitagmorgen zu Nikutta. »Ich freue mich für sie persönlich, bedauere das aber für die BVG«, erklärt Pop, die auch Aufsichtsratsvorsitzende des Unternehmens mit über 14 700 Beschäftigten ist. Sie erinnert daran, dass die Verkehrsbetriebe bei Nikuttas Amtsantritt im Oktober 2010 noch tiefrote Zahlen geschrieben hatten. Heruntergefahren wurden in den ersten Jahren die Investitionen, die Arbeit wurde verdichtet. Pop hebt hervor, dass die Fahrgastzahlen in der Amtszeit Nikuttas um 20 Prozent auf rund 1,1 Milliarden beförderte Menschen im Jahr 2018 gestiegen seien. Was kein großes Wunder ist, denn in der gleichen Zeit ist die offizielle Arbeitslosenquote um nicht ganz die Hälfte gefallen und die Einwohnerzahl um Hunderttausende gestiegen.

Nikutta verlasse ein Unternehmen, das »gut aufgestellt« sei, aber in dem es auch gelte, »die eine oder andere Herausforderung zu meistern«, erklärt die Senatorin. Das ist vorsichtig ausgedrückt. Die U-Bahnflotte ist überaltert und die Bestellung neuer Züge ist durch eine Klage blockiert. Der Prozess mit ungewissem Ausgang beginnt kommenden Freitag. Für den Bus wird ein Notfahrplan erarbeitet. Der Straßenbahnausbau kommt nicht voran. »Wir laufen bei den Investitionen einfach drei, vier Jahre hinterher«, sagt Pop.

»Der nächste Chef oder die nächste Chefin muss auch dafür sorgen, dass bis 2035 nicht nur rund 2,5 Milliarden Euro für die Grundsanierung der U-Bahn-Infrastruktur zur Verfügung gestellt werden - es muss auch die Kapazitäten geben, das Geld wirklich zu verplanen und zu verbauen«, sagt Jens Wieseke, vom Berliner Fahrgastverband IGEB. »Außerdem müssen Busse und Straßenbahnen in der Stadt besser vorankommen«, fordert er. »Natürlich gibt es Dinge aus meiner Sicht, die auch in Berlin gut umsetzbar wären«, sagt die scheidende BVG-Chefin zu letzterem Punkt. Dabei ist vor allem Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne) gefragt.

»Wir vergeben Vorstandspositionen nicht danach, wer sich in welcher Zeitung am lautesten beworben hat«, erklärt Pop zur Nachfolge. Ein Headhunter soll beauftragt werden, der Posten mindestens ein halbes Jahr vakant bleiben. »Die Suche erfolgt diskriminierungsfrei, aber bei gleicher Qualifikation werden Frauen bevorzugt«, kündigt die Senatorin an.

Ob sie jetzt ihren Resturlaub nimmt? »Wer mich kennt, weiß, dass ich das nicht machen werde«, sagt Nikutta. Sie werde einen »intensiven Endspurt« hinlegen. Vor allem den neuen Verkehrsvertrag bis 2035 mit dem Senat will sie voranbringen. Er soll 2020 unterschrieben werden. Es ist durchaus möglich, dass in Nikuttas letztem Amtsjahr die BVG wieder in die roten Zahlen rutscht. Der Tarifabschluss vom Frühjahr kostet das Unternehmen 102 Millionen Euro.

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