- Kommentare
- Pro: Rücktritt Morales
Loslassen lernen
Evo Morales hätte als hervorragender Präsident in die Geschichte eingehen können
Keine Frage: Es ist nicht schön, wie sich Evo Morales aus dem Präsidentenamt verabschieden musste. Für Boliviens Demokratie ist es aber wichtig und richtig, dass endlich jemand anderes auf Morales folgt. Schließlich regierte er seit 2006 und kandidierte drei Mal für die Präsidentschaft. Die Verfassung von 2009 erlaubt eigentlich nur zwei Kandidaturen, demnach hätte Morales schon 2014 nicht mehr antreten dürfen. Doch die Wahlaufsicht argumentierte damals, dass die Amtszeit von Morales vor der Verabschiedung der neuen Verfassung nicht mitgezählt werde und er somit wieder antreten könne. Doch Morales reichten drei Amtszeiten nicht. Er versuchte 2016 seine vierte Kandidatur durch ein Referendum über eine Verfassungsänderung zur zweifachen Wiederwahl des Präsidenten zu ermöglichen. Das Vorhaben schlug jedoch fehl. Von allen Wähler*innen stimmten drei Prozent mehr gegen die Verfassungsänderung, als dafür. Wenngleich dieses Votum denkbar knapp ausfiel, war es ein Warnschuss für Morales, den er ignorierte.
Er hätte noch drei Jahre Zeit gehabt, in seiner Partei, der Bewegung zum Sozialismus (MAS), eine andere Person für seine Nachfolge aufzubauen. Doch sowohl Morales als auch viele andere Politiker*innen der MAS beschränkten sich auf die krampfhafte Suche nach Möglichkeiten für seine vierte Kandidatur. Schließlich wurden sie 2018 fündig: Das Verfassungsgericht, überwiegend durch die MAS kontrolliert, hob die Artikel zur beschränkten Wiederwahl politischer Amtsträger auf.
Dabei ist Morales nur eine von vielen Personen, die ihre Macht nicht abgegeben können und damit letztendlich einer ganzen Partei oder Bewegung schaden. In Lateinamerika ist dieses Phänomen häufig zu beobachten. Andere Beispiele hierfür geben etwa Daniel Ortega in Nicaragua oder Nicolás Maduro in Venezuela. Trotz zahlreicher Proteste halten sie sich im Amt.
Morales hat viel für die MAS und Bolivien insgesamt erreicht. Er hat die Armut massiv verringert und versucht, dem Neoliberalismus Einhalt zu gebieten. Er hätte als hervorragender Präsident in die Geschichte eingehen können. Doch durch seine vierte Kandidatur und seine negativen Reaktionen auf die Proteste nach den Wahlergebnissen vom 20. Oktober hat sein Ansehen gelitten, auch in den eigenen Reihen. Durch Morales’ Rücktritt wurde sein Ruf zumindest ein wenig gerettet, wenngleich er dazu gezwungen werden musste.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.