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Jeff vom Jupiter
Florian Schmid besichtigt vorab den Weltraumklassenkampf
Imitiert die Kunst das Leben oder das Leben die Kunst? Das ist seit jeher ein beliebtes Philosophenproblem. Anhänger der ersten Meinung können sich auf Aristoteles’ »Mimesis« berufen, während die zweite Position im »anti-mimetischen« Oscar Wilde einen eloquenten Vorredner hat. Attraktiv ist die Frage vermutlich, weil sie sich nicht lösen lässt. Werden etwa Gangsterfilme immer blutiger, weil die Gangster zusehends an Hemmungen verlieren? Oder brutalisiert sich etwa die Mafia deshalb jüngst so drastisch, weil Mafiosi zu viele schlechte Mafiafilme gucken?
Jüngst nun hat die Geschichte diese alte Frage einem Heroen unserer Tage vorgelegt, nämlich dem Allzwecksuperkapitalisten Jeff Bezos: Sollte er als jemand, der ernsthaft den Weltraum besiedeln will, um auf Ceres im Asteroidengürtel gleich hinterm Mars Seltene Erden zu schürfen oder doch mindestens auf dem Mond Helium 3 zu fördern, für seinen Videodienst die unwirtschaftliche Space Opera »Expanse« retten und aufkaufen? Darin geht es genau um seine Weltraumambitionen, allerdings aus kritischer Sicht: Eine ausbeuterische Erde giert nach Bodenschätzen in eben jenem Asteroidengürtel - während der antiimperialistische Mars sich unabhängig macht und zwischen ihm und der Erde eine Konfrontationslage entsteht, gegen die der Kalte Krieg der reinste Kindergarten ist.
Imitiert nun die Kunst das Leben, konnte Bezos diese Space-Saga ganz egal sein. Und imitiert das Leben die Kunst, hätte er sie erst recht sterben lassen müssen. Denn dann hätte er zu gewärtigen, dass sich dieser interplanetarische Kassenkampf gegen seine Weltraumpläne tatsächlich materialisiert. Eine klare Sache - oder nicht?
Bezos Entscheidung, die Serie zu »retten«, ist insofern zunächst erstaunlich. Denn der Mr. Universum aus Seattle - der als glühender Fan des kommunistenfressenden Science-Fiction-Schreibers Robert A. Heinlein aufwuchs und sich 2016 einen Gastauftritt in »Star Trek Beyond« kaufte - gehört zu denen, die an die Realisierbarkeit solcher Fantasien eines interplanetarischen Kapitalismus nicht nur glauben, sondern auch in sie investieren. So verkaufte er dem Weißen Haus, das unter Donald Trump die womöglich kommerzielle Rückkehr zum Mond von 2028 auf 2024 vorverlegt hat, jüngst erst eine Mondlandefähre. Auch als Anhänger von Szenarien der »Longevity Escape Velocity« - nach denen für Zahlungskräftige in absehbarer Zeit Unsterblichkeit möglich wird - wird er sich die Entscheidung über jene Serie nicht leicht gemacht haben: Könnte er das 23. Jahrhundert, in dem sie spielt, doch selbst erleben!
Wenn im Dezember also die vierte Staffel von »Expanse« anläuft, bietet sich dem Publikum der fiktionalen Saga eine ganz neue Interpretationsebene, nämlich die nach Bezos realen Intentionen. Wird er versuchen, die rebellischen Marsianer zu sozialdemokratisieren? Oder lässt er alles beim Alten, um Strategien in interplanetarer Aufstandsbekämpfung zu entwickeln?
Darauf werden wir sterblichen Erdlinge demnächst eine Antwort geben können. Offen bleibt hingegen das akademische Problem vom Verhältnis von Kunst zum Leben - wie auch die Frage, ob Aristoteles als Philosoph von »Maß und Mitte« den Herrn Bezos degoutanter gefunden hätte oder doch Oscar Wilde, der gegen Ende seines wilden Lebens emphatische Essays zur »sozialistischen Persönlichkeit« zu verfassen begann.
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