- Wirtschaft und Umwelt
- Mietenwahnsinn
Zu wenig BAföG für zu viel Miete
Wohnungen für Studierende sind als Anlageobjekt begehrt - nicht nur, weil die Mieten rasant steigen
Hier hat Ostdeutschland einmal die Nase vorn: Nur in wenigen Städten legten die Mieten für Studentenwohnungen so rasant zu wie in den ostdeutschen Bundesländern. Seit dem Jahr 2010 stieg der Preis für eine 30-Quadratmeter-Wohnung in Leipzig von 217 auf 278 Euro je Monat. In Dresden müssen Studenten heute sogar 310 Euro statt 239 hinblättern. Dies ist ein Anstieg um rund 30 Prozent. Im bundesweiten Vergleich sind solche Mieten allerdings eher günstig. Am teuersten ist weiterhin München: In der bayerischen Landeshauptstadt kostet eine Studentenbude über 700 Euro. Das geht aus dem »Studentenwohnreport 2019« hervor, den das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln und der Finanzdienstleister MLP jüngst veröffentlichten.
Dabei sind die Chancen ungleich verteilt. Betrachtet wurde in der Studie nämlich auch die finanzielle Situation. Fazit: Für durchschnittliche Studierende blieben die Einkommen konstant, nur das Viertel der einkommensstärksten Studierendenhaushalte konnte sein Einkommen weiter steigern.
»Erfolgreiches Studieren ist ohnehin bereits eine Geldfrage«, kritisiert Ronja Hesse vom Freien Zusammenschluss von StudentInnenschaften (FZS) in »Forum Wissenschaft«. Dieses Problem werde über steigende Mieten und die unangemessene Studienfinanzierung noch verstärkt.
So liegt deutschlandweit die durchschnittliche Miete, die Studierende zahlen müssen, bei 363 Euro, die neue Wohnraumpauschale des BAföG, gültig seit August, beträgt aber nur 325 Euro. Insgesamt liegt der aktuelle Höchstsatz, also der Betrag, der vom BAföG-Amt maximal ausgezahlt wird, bei 735 Euro. Den erhält allerdings nur ein Bruchteil. Und überhaupt liegt der Anteil der Studierenden, die gefördert werden, derzeit bei noch nicht einmal 15 Prozent.
Mittlerweile hat die Immobilienbranche das Studentenwohnen in Deutschland als lukrativen Markt entwickelt. Als Zielgruppe haben die Investoren allerdings vornehmlich das finanzstarke Viertel der Studenten im Blick. So baut die dänische Base-Camp-Gruppe, die Apartments in Dänemark, Polen und Deutschland hält, in Göttingen 560 Wohnplätze mit Vollmöblierung. Die Miete dürfte bei etwa 500 Euro liegen.
Auch lokale Unternehmen und etwa die BGP-Gruppe tummeln sich auf dem Studi-Mietmarkt in Göttingen. Deren »Campusglück«-Wohnungen gibt es bereits in Kiel, Münster und Köln. Solche Beispiele zeigen, dass »das studentische Wohnen auch in einer verhältnismäßig kleinen Universitätsstadt wie Göttingen für überregionale Investor*innen attraktiv geworden ist«, analysiert Michael Mießner von der Technischen Universität Dresden. Humangeograf Mießner befasst sich mit Immobilienmärkten abseits der Ballungsräume.
Was in Deutschland wegen der explodierenden Mieten in vielen Städten bis auf weiteres undenkbar erscheint, ist in Großbritannien bereits Wirklichkeit: Es gibt ein Überangebot an Studentenwohnungen. Wie in anderen Ländern der Europäischen Union hatte die Zahl der Unterkünfte seit der Jahrtausendwende nicht mit der steil ansteigenden Zahl Studierwilliger mithalten können. Vor allem die Niedrigzinsen seit der Finanzkrise machten dann aber Investitionen in Immobilien besonders reizvoll, beträgt doch die sichere Rendite fürs Betongold durchschnittlich etwa drei Prozent.
Im Nischensegment des Studentenwohnens versprachen sich zum Beispiel der US-amerikanische Vermögensverwalter Blackrock und die britische Unite Students - heute einer der Marktführer in dem Bereich mit 50 000 Wohnungen in 22 Städten - noch höhere Profite als im normalen Mietwohnungsbereich. Jahr für Jahr wurden in Großbritannien daher Milliardenbeträge in den Bau von Studentenwohnungen investiert. Doch inzwischen lässt die Nachfrage deutlich nach. In vielen britischen Städten stehen laut Medienberichten viele Wohnungen leer, und Blackrock sucht Käufer für seine Studentenheime.
Von Leerständen in Studi-Unterkünften ist man in Deutschland noch weit entfernt. Die Zahl der Studierenden steigt auch hierzulande seit Jahren. Im vergangenen Wintersemester waren gut 2,8 Millionen Menschen an Hochschulen eingeschrieben. Zum Vergleich: Vor zwei Jahrzehnten zählte das Statistische Bundesamt nur rund 1,8 Millionen Studenten. In zahlreichen Hochschulstädten protestierten Ende Oktober Studierende unter dem Frust-Motto »Lernen am Limit«.
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