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Wo Bananen im Müll Diebesgut bleiben
Trotz Lebensmittelverschwendung: Landtagsmehrheit in Niedersachsen will Containern nicht entkriminalisieren
Um zwei Tage haben die vier Becher Himbeerjoghurt das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten, weisungsgemäß wirft sie der Supermarktmitarbeiter hinter dem Geschäft in einen Müllcontainer. Dort landen auch Bananen, die am Stiel schon ein bisschen braun sind und Äpfel, deren makellos glänzende Schale durch Transportdellen getrübt ist. Alles durchaus noch genießbar, aber nicht mit dem Standard des Ladens vereinbar. Zwei junge Leute, ohnehin knapp bei Kasse, wollen jene Lebensmittel nicht verderben lassen, holen sie aus dem Behälter heraus. Vernünftig, so scheint es. Doch der Marktleiter »stellt« die beiden, holt die Polizei, zeigt seine ungebetenen Besucher an - wegen Diebstahls, ein Strafverfahren läuft an. Unvernünftig, mögen viele Menschen meinen. Doch SPD, CDU und FDP im niedersächsischen Landtag wollen von diesem Unsinn nicht abweichen.
Ihre Mehrheit hat am Mittwoch den Antrag der Grünen abgelehnt, das Land möge eine Initiative im Bundesrat mit dem Ziel starten, das Containern, »die Aneignung entsorgter Lebensmittel« künftig von der Strafverfolgung auszunehmen. Auch das sogenannte Bändern möchte die Fraktion fortan als legales Handeln sehen: das Herunternehmen nicht leer gegessener Teller von Transportbändern, auf die Gäste einer Mensa oder einer Selbstbedienungsgaststätte übrig gebliebene Speisen ihrer Mahlzeit gestellt haben. Dann rollt dort ein Stück Braten, das der Kunde nicht »geschafft« hat, in Richtung Abfall; ein Bedürftiger aber würde sich womöglich noch darüber freuen.
Die Motivationen zum Containern oder Bändern seien sehr unterschiedlich, heißt es im Antrag der Oppositionspartei. Bedürftigkeit spiele eine Rolle, aber auch ethische Gründe stünden nicht selten hinter dem Entschluss, Esswaren zu »retten«. Nach einer Studie des World Wildlife Fund landen alljährlich in Deutschland über 18 Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll, und mit 25 Prozent sei der Handel daran beteiligt, gab die Grünen-Abgeordnete Miriam Staudte zu bedenken. Ihre Fraktion fordert nicht allein die Entkriminalisierung des Griffs zu weggeworfenen Waren, sondern auch eine Verpflichtung für die Händler: Sie sollen Produkte, die noch für den menschlichen Verzehr geeignet sind, »an interessierte Personenkreise oder gemeinnützige Einrichtungen« abgeben müssen.
Das Bedauern über den Umgang mit Lebensmitteln einte die Abgeordneten aller im Landtag vertretenen Parteien, aber nur dies. Zustimmung erfuhr der Grünen-Vorstoß allein von der ebenfalls oppositionellen AfD. Deren Fraktionschefin Dana Guth versuchte, in punkto Containern und Strafbarkeit so etwas wie eine Parallele zur den Freitagsdemos von Schülerinnen und Schülern herzustellen. Angesichts der höheren Stellung des Klimaschutzes, so die Abgeordnete sinngemäß, werde bekanntlich von einer Sanktionierung der »Schulschwänzer« abgesehen. Ähnlich könne man doch mit Blick auf den höheren Wert zu bewahrender Lebensmittel auch darauf verzichten, Menschen fürs Containern oder Bändern zu bestrafen.
Um eine klares Ja oder Nein zur Strafbarkeit konnte sich Immacolata Glosemeyer (SPD) bequem herumwinden, in dem sie auf Diskussionen in verschiedenen Fachausschüssen verwies. Dort seien Fragen wie zur Haftung für Gesundheitsschäden nach Containergut-Verzehr, Hygienestandards, Kühlketten und des Eigentums offen geblieben.
Eindeutig die Strafbarkeitskeule schwang indes die CDU, zumindest ihre Abgeordnete Veronica Koch. Ihr Beitrag zur Sache, der in seinem strikten Legalismus frösteln ließ, gipfelte in der Feststellung: Wenn sich jemand über einen Abfallbehälter »hermacht«, der auf einem fremden Grundstück steht, dann bleibe das Hausfriedensbruch und Diebstahl. Im Strafgesetzbuch seien die entsprechenden Vorschriften zu Recht geschaffen »aus Respekt vor Eigentum und Besitz«, bekräftigte die Christdemokratin.
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