- Politik
- Brasilien
Fall Marielle: Polizei ermittelt gegen Carlos Bolsonaro
Sohn des brasilianischen Präsidenten im Fokus der Zivilpolizei / Vorwurf: Beteiligung an dem Mordanschlag auf linke Stadträtin
Am Mittwochabend ließ der Journalist Kennedy Alencar die Bombe platzen: Auf seinem Blog erklärte er, dass die Zivilpolizei von Rio de Janeiro gegen Carlos Bolsonaro wegen einer möglichen Beteiligung an dem Mord an Marielle Franco ermittelt. Die linke Stadträtin und Aktivistin gegen Rassismus und Polizeigewalt war am 14. März 2018 zusammen mit ihrem Fahrer auf offener Straße ermordet worden. Der Mord schockte die brasilianische Linke, Franco wurde zu einem weltweiten Symbol. Die Auftraggeber der Tat sind bis heute nicht ermittelt.
Laut Alencar habe eine offene Feindschaft zwischen Bolsonaro und Franco bestanden. Außerdem soll der Sohn des Präsidenten eine enge Beziehung zum mutmaßlichen Mörder gehabt haben. Jener Mann wohnte bis zur seiner Verhaftung in der gleichen Wohnanlage wie Carlos Bolsonaro und sein Vater Jair.
Vor knapp drei Wochen war auch dieser in den Fokus auf Aufmerksamkeit gerückt, als ein Pförtner aussagte, dass ein Tatverdächtiger kurz vor dem Mord den heutigen Präsidenten Jair Bolsonaro aufsuchen wollte. Null Zwei, wie Carlos von seinem Vater nach der Reihenfolge der Geburt seiner Söhne auch genannt wird, hatte damals ein Video der Gegensprechanlage gepostet, das die angebliche Unschuld seines Vaters beweisen sollte. Wie er an das Material kam, ist bis heute unklar. Der Pförtner zog mittlerweile seine Aussage zurück.
Die Ermittlungen gegen Carlos Bolsonaro bestätigen den Verdacht vieler Brasilianer*innen, die der Familie enge Verbindungen zu den Milizen vorwerfen. Diese paramilitärischen Gruppen setzten sich vor allem aus ehemaligen und aktiven Polizisten zusammen, beherrschen viele arme Stadtteile in Rio de Janeiro mit Waffengewalt und sollen hinter dem Mordanschlag auf Franco stehen.
Carlos ist der zweitälteste Sohn des Präsidenten und derzeit Abgeordneter im Stadtrat von Rio de Janeiro. Zusammen mit seinen Brüdern, dem Senator Flávio und dem Bundesabgeordneten Eduardo, bestimmt er maßgeblich die Politik seines Vaters mit. Viele Brasilianer*innen bezeichnen das Vierergespann auch als »Bolsonaro-Clan«.
Carlos gilt als cholerisch und wird aufgrund seiner aggressiven Art auch »Pitbull« genannt. Im Wahlkampf soll er sich vor allem um den Auftritt seines Vaters in den sozialen Medien gekümmert haben und wird für zahlreiche Twitter-Ausfälle verantwortlich gemacht. Auch auf seinem eigenen Profil hatte Carlos unverhohlen gegen Linke und Minderheiten gehetzt – bis er vor einigen Tagen unkommentiert alle Profile löschte. Für viele ist der plötzliche Abschied aus den sozialen Netzwerken kein Zufall und erhärtet den Verdacht gegen den Präsidentenspross.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.