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OECD warnt vor Armutsrisiken im Alter
Für einkommensarme Menschen bestehe im Alter ein großes Armutsrisiko, wenn sie nicht durch eine Grundrente abgedeckt sind
Egal ob Tasse, Postkarte oder Kühlschrankmagnet. Sprüche wie «Gibt es ein Leben vor der Rente?» oder «Endlich Rentner» zieren zahlreichen Schnickschnack und bringen eines zum Ausdruck: Mit den bisherigen Renten hierzulande lebt es sich im Ruhestand gar nicht so schlecht.
Doch längst nicht jeder ist in Deutschland gut im Alter abgesichert, vor allem Frauen, Geringverdienende, atypisch Beschäftigte und Selbstständige stehen im Alter bei der gesetzlichen Rente schlecht da. Darauf weist die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in ihrem aktuellen Rentenbericht «Pensions at a Glance 2019» hin. Die entsprechende Studie wurde an diesem Mittwoch veröffentlicht.
Gerade im internationalen Vergleich sind die Differenzen auffallend. «Auch nach einer vollständigen Karriere als Vollzeitarbeitnehmer erhalten Rentner in Deutschland vergleichsweise niedrige Renten», heißt es in dem Bericht. Bei gerade einmal 52 Prozent liegt die Nettoersatzquote 2018, das Geld, das Rentner*innen im Alter netto zur Verfügung haben als Anteil ihres vorherigen Erwerbseinkommens. Im OECD-Durchschnitt sind es immerhin 59 Prozent. Niedrigverdiener*innen schneiden im internationalen Vergleich sogar noch schlechter ab. Sie haben im Alter nur etwas mehr als ein halbes Durchschnittseinkommen (56 Prozent) zum Leben, während sie in den anderen OECD-Ländern immerhin 68 Prozent im Alter zur Verfügung haben.
Die Renten ersetzen in Deutschland anteilig das Einkommen - doch gerade Geringverdienenden, die schon zu Lebzeiten am unteren Einkommensrand gewirtschaftet haben, bleibt im Alter dann oft nur die Grundsicherung. Ob das fair ist - immerhin sollte die Rente ursprünglich lebensstandardsichernd sein -, ist die Frage. Der Industrieländerclub OECD, nicht unbedingt als Kämpfer für die Anliegen der Armen bekannt, findet für diese Frage in seinem Report eindringliche Worte: «Ohne eine Grund- und Mindestrente wird das Armutsrisiko für einkommensschwache Rentner groß sein.»
Insgesamt sei das deutsche Rentensystem sogar regressiv, da vermögende Senior*innen länger lebten und somit Leistungen für eine deutlich längere Zeit erhielten. Die Bevölkerungsalterung, die durch den Nachhaltigkeitsfaktor automatisch zu niedrigeren Renten führt, werde die Lage der geringen Ersatzraten perspektivisch noch verschärfen, attestiert die OECD weiter. Es besteht die Gefahr, dass die Ersatzraten der Gesetzlichen Rentenversicherung in Deutschland für einige Bevölkerungsgruppen nicht mehr genügen werden, um im Alter ausreichend abgesichert zu sein«, warnt der OECD-Ökonom und Rentenexperte Christian Geppert.
Doch was ist mit Betriebsrenten oder der Riester-Rente? Diese sollen ja zusätzlich auf die gesetzliche Rente kommen. Geppert sieht das nur bedingt als gegeben, sagt er »neues deutschland«. »Für viele ist die gesetzliche Rente die erste Absicherung im Alter.« Eine betriebliche Altersvorsorge sei für die, die sie haben, auch sehr wichtig, aber nur circa die Hälfte der Beschäftigten verfüge heute über eine solche Vorsorge. Bei den Riester-Renten lägen dazu sehr viele Verträge derzeit auf Eis. Beispiele für Rentensysteme mit besseren Erfolgen gegen Altersarmut seien die, die eine Grundrente für alle älteren Bewohner haben, wie Dänemark oder die Niederlande.
Die Große Koalition hat sich zwar nach zähem Ringen und einigem Einsatz von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) vor einigen Wochen tatsächlich auf ein »Grundrenten«-Modell ab 2021 geeinigt. Doch wer den Bericht der OECD ließt, versteht schnell, dass das nicht die Grundrente ist, von der die Organisation spricht. Das Problem: Um Heils »Grundrente« zu bekommen, müssen Rentner*innen auf etwa 35 Beitragsjahre mit Gleitzeit und Anerkennung von Zeiten der Kindererziehung kommen. Auf die kommt aber längst nicht jede*r. Entsprechend schreibt die OECD: Die Grundrente der GroKo gehe nicht das Altersarmutsrisiko von Geringverdiener*innen mit größeren Karriereunterbrechungen an.
Besonders schlecht steht es auch um die Renten von Frauen. So sind Frauen hierzulande von der OECD-weit größten Geschlechter-Rentenlücke betroffen. Sie weisen eine Diskrepanz von 46 Prozent weniger Rente im Vergleich zu Männern auf. Das liege an einem »überdurchschnittlichen geschlechtsspezifischen Lohngefälle« und einem hohen Anteil von Teilzeitbeschäftigung in Deutschland. Auch Selbstständige bekommen nur geringe gesetzliche Renten. Wer ausschließlich oder einen überwiegenden Teil seines oder ihres Erwerbslebens freiberuflich gearbeitet hat, bekommt gerade einmal rund die Hälfte der Rente einer abhängig Beschäftigten mit gleicher, Karriere. Das Problem: Selbstständige müssen derzeit nur in einigen Fällen rententechnisch vorsorgen, wenn sie beispielsweise kammerpflichtig sind wie Bäcker oder Ärzte.
Einige Studien, wie die von dem DIW-Ökonomen Karl Brenke, weisen allerdings darauf hin, dass die Abdeckung auch bei Freiberufler*innen oft gegeben sei - nur eben nicht über die Gesetzliche Rentenversicherung und stattdessen über Kapitallebensversicherung, eine private Altersvorsorge oder Vermögen. Diese Arten der Vorsorge betrachtet die OECD nicht.
OECD-Ökonom Geppert plädiert für eine »Rente für alle«, die auch Selbstständige und Beamt*innen umfasst. »Deutschland ist eines von nur vier OECD-Ländern, das auch für zukünftige Generationen noch ein komplett separiertes Rentensystem für Beamte aufrecht erhält.« Da Pensionen teils deutlich höher liegen als vergleichbare Renten, könnte eine perspektivische Eingliederung auch einen entlastenden Effekt auf die Ausgaben des Rentensystems haben, so Geppert. Für Selbstständige sei der Einbezug wichtig, weil diese im Schnitt ein deutlich niedrigeres Rentenniveau als Arbeitnehmer*innen aufwiesen.
Verschiedene gesellschaftspolitische Akteur*innen fordern ebenfalls eine solche »Rente für alle«. Aktuell läuft eine Kampagne des Sozialverbands VdK dazu. Teilweise ist diese Rente auch unter dem Begriff Erwerbstätigenversicherung bekannt. Auch der Paritätische Wohlfahrtsverband oder die Gewerkschaft ver.di plädieren für ein solches System.
Matthias W. Birkwald, rentenpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE, plädierte gegenüber »nd« ebenfalls für eine solche Versicherung und nannte Österreich als Vorbild: »Österreich zeigt den Weg, wie ein seit 20 Jahren etwas höherer Beitragssatz, der überproportional von den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern getragen wird, und eine Erwerbstätigenversicherung, in die auch Selbständige und Beamtinnen und Beamte einbezogen sind, lebensstandardsichernde Renten und eine Mindestrente über der europäischen Armutsgrenze stabil finanziert werden können.« Österreich gebe heute 13,9 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Renten aus. Deutschland nur 10,3 Prozent. Im Jahr 2060 werden es nur 12,5 Prozent in Deutschland, aber 14,7 Prozent in Österreich sein. »Die Würde des Menschen ist unantastbar. Das gilt auch für Menschen nach ihrem 65. Geburtstag. Das kostet Geld. Und das sollte es uns nach österreichischem Vorbild auch wert sein.«
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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