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Klima-GAU mit Ansage
Die Welt steuert auf eine ökologische Katastrophe zu. Nur ein Systemwandel könnte diese noch verhindern.
Erst in dieser Woche teilten die Vereinten Nationen mit: Wenn wir so weiter machen, wird sich die Erde bis Ende des Jahrhunderts um über drei Grad erhitzen. Noch nie wurde weltweit so viel CO2 ausgestoßen wie heute. Eine Trendwende ist nicht in Sicht. Um diesen Klima-GAU mit Ansage zu verhindern, werden ab nächsten Montag wieder tausende Diplomaten, Politiker, Wissenschaftlerinnen und Aktivistinnen darüber beraten, wie das Pariser Klimaschutzabkommen von 2015 in die Tat umgesetzt werden kann. Mit anderen Worten, wie der Kollaps des Weltklimas abgewendet und damit unser aller Lebensgrundlagen gerettet werden.
Kurzer Rückblick: Die diesjährige Klimakonferenz der Vereinten Nationen wird in Madrid über die Bühne gehen. Erst hatte Brasiliens extrem rechter Präsident Bolsonaro, der den menschengemachten Klimawandel wie Donald Trump und die AfD als große Verschwörung abtut, die vereinbarte Ausrichtung abgeblasen. Chile sprang erst ein, ruderte dann Anfang November jedoch wieder zurück. Im neoliberalen Musterland Lateinamerikas war das Fass der sozialen Ungerechtigkeit endgültig übergelaufen. Die Anti-Regierungsproteste gegen den Milliardärspräsidenten Sebastian Pinera verwandelten das Land in wenigen Wochen in einen Polizeistaat. Der brutale Einsatz der militarisierten Carabineros machte die wütenden Menschen auf der Straße noch entschlossener. Jetzt findet die Mammut-Konferenz also in Madrid statt, in dem Mutterland des europäischen Kolonialismus, an dessen historischem Erbe von Eroberung und Unterwerfung mit Rekord-Ungleichheit, Massenarmut und rassistischem Elitendünkel der Kontinent bis heute noch schwer zu tragen hat.
Die gewaltsame Globalisierung begann vor 500 Jahren mit der brutalen Kolonisierung der Welt durch Europas Mächte, an der weltweit Millionen zu Grunde gingen. Auch heute sind es die Leidtragenden dieser ungerechten Weltordnung, welche die Last des Klimawandels auf ihren Schultern schleppen müssen: Kleinbäuerinnen in den Anden, einfache Viehzüchter in der Sahelzone, Hausangestellte in den Millionenstädten Asiens, die sich keine Klimaanlage, keinen Urlaub am kühlenden Strand, kein frisches Trinkwasser, kein neues Saatgut bei Ernteausfall, kein Bett im Krankenhaus bei Hitzeschlag und keine Wiederaufbauhilfe nach Wirbelstürmen leisten können. Es sind die Frauen, Mädchen, Indigene, Arme, die von der steigenden Hitzekurve des Planeten am stärksten betroffen sind. Auch in Deutschland gilt: Je reicher, desto gleichgültiger kann mit Schocks von außen umgegangen werden.
Gerade haben tausende Landwirte, viele von ihnen stehen vor dem Ruin, in Berlin demonstriert - gegen mehr Ökologie und gegen Umweltschutz. Ihre Wut richten auch diese Opfer neoliberaler Dumping-Politik und Exportorientierung an die Falschen. Machen wir weiter wie bisher, werden auch die Bauern die Klimawandelfolgen noch stärker spüren. Die großen deutschen Konzerne haben sich dann bereits aus dem Staub gemacht. Erst richten die Großaktionäre den Planeten zugrunde, dann setzen sie sich mit ihrer Beute ab. Die Jobs der einfachen Leute sind den Klimazerstörern und Profiteuren der Zustände herzlich egal.
Aufgabe der Linken ist es seit jeher, all jenen eine Stimme zu geben, die um ihren Lebensstandard, um ihr Überleben, immer härter kämpfen müssen. In Deutschland wie im Rest der Welt. Als Industrienation hat Deutschland eine besondere Verantwortung für das »globale Dorf«. Nach den USA, China und der Ex-Sowjetunion hat kein Land so viel CO2 auf die Gratis-Müllkippe namens »Atmosphäre« abgeladen wie wir. Auch wenn einem das nicht schmeckt: Unser Wohlstand fußt auf dem Schaden der Anderen.
Die deutschen Klimaziele, von der Groko krachend verpasst, sind ein Bruch des Pariser Klimavertrags. Eine Milliarde zu viel Klimagase sind eine Milliarde drüber. Jedem Menschen mit einem Funken von Gerechtigkeit muss dieser Missstand bitter aufstoßen. Was tun?
Die Klimafrage stellen? Ist das nicht ein Luxus-Anliegen der kapitalismustreuen Grünen, der Globalisierungsgewinner? Lenkt das nicht von der sozialen Frage ab? Auf keinen Fall! Ohne die Großkonzerne in die Schranken zu weisen, sie durch Regeln, durch Enteignung demokratisch zu kontrollieren, die Wirtschaft am Menschen auszurichten, das Steuersystem gerecht und ökologisch auszurichten, wird keiner die Klimakrise stoppen. Systemwandel statt Klimawandel.
Angesichts der Klimakrise und der existenzbedrohlichen Folgen für die Mehrheit der Menschheit wird die Linkspartei die Klimafrage noch deutlicher stellen. Dafür wurde diese Woche, gemeinsam mit der neuen Fraktionsvorsitzenden Amira Mohamed Ali und Vertretern der Gewerkschaften, Sozial- und Ökoverbände sowie der Berliner Miteninitiative »Deutsche Wohnen & Co enteignen«, ein Fahrplan für linke Klimapolitik vorgestellt. Ob Kohleausstieg bis 2030, sozialer Wohnungsmarkt, ökologische Landwirtschaft oder klimafreundliche Verkehrswende - zu jedem Bereich der Volkswirtschaft schlagen wir Sofortmaßnahmen vor. Am Ende war man sich einig: An die Arbeit, für Klimagerechtigkeit und gegen die maßlose Ausbeutung von Mensch und Natur.
Lorenz Gösta Beutin ist Klima- und Energiepolitiker der LINKEN im Bundestag. Von der UN-Klimakonferenz in Madrid wird er ab dem 9. Dezember an selber Stelle täglich berichten.
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