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»Azadi« heißt Freiheit
Cornelia Ernst über die Lage in Iran, das Schweigen des Westens und Frauen in Fußballstadien
Der Nahe und Mittlere Osten ist in Bewegung. Ob Bagdad, Beirut oder Teheran: tiefgreifende Proteste erschüttern die dortigen Regime. In Iran waren schon 2018 Tausende auf der Straße, weil die Unterstützung für Bedürftige zusammengestrichen wurde und Lkw-Fahrer kein Geld bekamen. Heute sind die Proteste grundsätzlicher, weil die Erhöhung der Benzinpreise und der Lebenshaltungskosten ganze Teile der Bevölkerung ins Aus geschleudert hat. Das Internet wurde zeitweilig gesperrt, über hundert Menschen wurden getötet, noch viel mehr inhaftiert.
Das Schweigen des sonst so großmäuligen Westens in dieser Situation ist unerträglich, denn diese Menschen, die in einer faktisch geschlossenen Gesellschaft dem Demonstrationsverbot trotzen, brauchen unsere unzweideutige und laute Unterstützung. Der brutal niedergeschlagene Protest zeigt, dass der Kredit der islamischen Republik verspielt ist. Die Wirtschaft ist ausgeblutet durch die korrupten Revolutionsgarden und ihres Revolutionsführers, der die Uhren zurückdrehen will. Wer noch glaubt, dass die Chance auf einen progressiven Aufbruch nun näher rückt, hat die Lektionen der letzten Jahrzehnte nicht gelernt. Iran hat keinen Plan B, der Rückfall in Zeiten einer abgeriegelten, noch aggressiveren Gesellschaft ist wahrscheinlicher. Daran hat der Westen, allen voran die USA mit ihrem irrlichternden Präsidenten, ihren Anteil.
Mit Trumps verantwortungsloser Politik wurde erneut die Hoffnung vieler Iraner*innen auf Besserung ihrer Lage totgetreten. Das ist umso schlimmer, als wir in den letzten Jahren trotz aller Schwierigkeiten spürbaren Wandel erleben konnten. 2013 behandelte man die erste offizielle Delegation des EU-Parlaments wie heiße Kartoffeln, und doch taten sich uns Türen auf. Beim Besuch 2017 standen die Signale auf Kooperation. Hauptbotschaft war, das Antiatomabkommen einzuhalten. Kooperation mit Europa, Wirtschaftsbeziehungen, Austausch auf verschiedensten Feldern waren Themen. Man eröffnete einen ganzen Katalog zur Zusammenarbeit, weit über den Antiatom-Deal (JCPOA) hinaus.
Mitten in diese Entwicklung hinein grätschten die USA mit ihrem Ausstieg aus JCPOA, obwohl die Iraner bis dahin sich an das Abkommen hielten. Die Sanktionen gegen Iran sind so radikal, dass der gesamte Öl- und Gashandel davon betroffen ist, mit 80 Prozent Haupteinnahmequelle aus Exporten Irans. Damit machten die USA jeden Warenaustausch auf Dollar-Basis unmöglich. Dieses Geschenk insbesondere an den regionalen Hauptrivalen Saudi-Arabien hat gravierende Auswirkungen auf das gesamte Leben der Bevölkerung in Iran. Dass bei den Wahlen 2020 die Moderaten weggestimmt und die Ultrakonservativen erneut an die Macht kommen, ist sehr wahrscheinlich. Das hätte Einfluss auf die gesamte Region. Deshalb ist der Kurs der USA gegen Iran kreuzgefährlich.
Dennoch gilt es, zwei Strategien voranzutreiben. Zum einen alle Möglichkeiten auszuloten, das mühsam ausgehandelte JCPOA zu erhalten und die wirtschaftlichen Beziehungen zu Iran zu entwickeln. Zum anderen, die Rolle von Menschenrechten auf die Tagesordnung zu setzen. Das Fehlen demokratischer Grundrechte behindert die zivilisatorische Entwicklung des Landes. So muss jeder Zentimeter Bewegung schwer erkämpft werden, wie die Beendigung des absurden Verbotes für iranische Frauen, Fußballspiele in Stadien besuchen zu dürfen. Dass es für dessen Aufhebung Jahrzehnte brauchte, zeigt die Schwere der emanzipatorischen Kämpfe. Am 10. Oktober 2019, als Iranerinnen zum ersten Mal offiziell Tickets kaufen durften, spielte Iran in der WM-Qualifikation gegen Kambodscha und die Frauen waren unüberhörbar im Teheraner Fußballstadion, das den Namen »Azadi« trägt. »Azadi« heißt »Freiheit«.
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