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Konzertierte Aktion gegen Kubas Ärztemissionen
In Südamerika machen Rechtsregierungen Stimmung gegen Havanna und sorgen für Rückzug entsandter Mediziner
Ob in La Paz, Quito oder Santiago de Chile - rechte Regierungen und konservative Politiker machen immer wieder Kuba verantwortlich, hinter den Protesten in zahlreichen Staaten Südamerikas zu stecken.
In diesen Tagen sind die 382 bisher in Ecuador tätigen kubanischen Mediziner auf die Insel zurückgekehrt. Quito hatte Anfang November den Vertrag zur Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich aufgekündigt. Offiziell werden wirtschaftliche Gründe ins Feld geführt; tatsächlich aber dürften politische Motive die Hauptrolle spielen. Die Kooperation mit Kuba war während der Amtszeit von Präsident Rafael Correa (2007-2017) intensiviert worden. Ecuadors aktueller Präsident, Lenín Moreno, aber hat mit seinem Amtsvorgänger gebrochen und einen neoliberalen Kurs eingeschlagen, in dessen Folge er die Politik Correas abwickelt. Bei den landesweiten Protesten im Oktober gegen die Regierung Moreno warf diese Havanna vor, die medizinische Mission zu missbrauchen und die Proteste anzuheizen. Auch wurden Vorwürfe laut, kubanische Staatsbürger in Ecuador - in ihrer Mehrzahl Angehörige der Ärztemission - würden diplomatische Pässe auf unangemessene Weise benutzen. Havanna wies die Vorwürfe als »falsch« zurück.
In Bolivien waren Mitte November sechs kubanische Ärzte sogar kurzzeitig festgenommen worden. Sie sollen die Proteste gegen den Putsch in Bolivien angefacht und finanziert haben. Die kubanische Regierung protestierte scharf gegen die Inhaftierungen und entschied den Abzug der Ärztemission aus Bolivien mit immerhin 750 Spezialisten. »In den vergangenen Stunden haben verschiedene handelnde Behörden des bolivianischen Staates die Idee aufgebracht, dass kubanische Mitarbeiter die stattfindenden Proteste befeuern«, hieß es in einer Erklärung des kubanischen Außenministeriums, in der der Schritt begründet wurde. Auch während der Proteste in Chile wähnte die dortige Regierung kubanische und venezolanische Kollaborateure am Werk. Außer Kampagnen in den sozialen Netzwerken und Aussagen von Funktionären wurden weder in Bolivien noch Ecuador oder Chile Beweise für die Anschuldigungen vorgelegt.
Kubas Gesundheitsminister José Angel Portal wies die »fortwährenden Attacken« gegen die kubanischen Ärztemissionen als »ungerecht und unakzeptabel« zurück. Beim Empfang von aus Bolivien zurückkehrenden Medizinern in der vergangenen Woche am Flughafen von Havanna sagte er, die Rückkehr in die Heimat sei nicht das Ende, sondern ein Neubeginn. Die Rückkehrer könnten wieder an ihren alten Arbeitsplatz zurückkehren, sich beruflich neu ausrichten oder sich für eine andere Mission im Ausland entscheiden.
Im vergangenen Jahr wirkten rund 50 000 kubanische Ärzte in 67 Staaten weltweit. Die Entsendung von medizinischem Fachpersonal ist heute die Kubas Haupteinnahmequelle von Devisen und spülte in der Vergangenheit mehr als 11,5 Milliarden US-Dollar jährlich in die Staatskasse. Die Auswirkungen des Endes der Ärztemissionen in Ecuador und Bolivien auf den ohnehin klammen kubanischen Staatshaushalt sind nur schwer abzuschätzen. Mit dem Wegfall der Mission in Bolivien verliert Havanna geschätzt mehr als 25 Millionen US-Dollar pro Jahr. Auch die Mission in Ecuador war verhältnismäßig eher klein. Doch vor fast genau einem Jahr hatte bereits Brasilien das kubanische Ärzteprogramm beendet. Dort waren immerhin 8600 Kubaner tätig. Im April war die rechte Regierung von El Salvador diesem Schritt gefolgt.
In Kuba ist man überzeugt, dass es sich um eine konzertierte Aktion handelt. Das Muster ist überall ähnlich. Es werden unbewiesene Vorwürfe erhoben, um die Missionen zu beenden, beziehungsweise Havanna zum Abzug seiner Ärzte zu bewegen. Bei der Festnahme der kubanischen Ärzte in Bolivien war in der Nähe ein Fahrzeug der US-amerikanischen Botschaft gesichtet und fotografiert worden. »Die US-Botschaft beteiligt sich an der Anstiftung zur Gewalt gegen kubanische Mediziner«, twitterte Kubas Außenminister Bruno Rodríguez. Das Gesundheitsministerium wiederum beschuldigte die USA des Versuchs, Kubas medizinische Kooperation in Lateinamerika »zu sabotieren« und »zu diskreditieren«.
Sicher ist: Seit dem Amtsantritt Trumps haben die USA die Blockade gegen Kuba verschärft und zielen dabei vor allem auf Kubas Deviseneinnahmen. Mit dem Ende der Ärztemissionen entfallen Kuba wichtige Devisenquellen - in Zeiten, in denen die Wirtschaft wegen des zunehmenden Sanktionsdrucks der USA ohnehin leidet und Venezuela seine Öllieferungen eingeschränkt hat.
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