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Italienische Beamte wegen Totschlags angeklagt

Prozessauftakt: Italienische Marine und Küstenwache sollen Rettungseinzatz von Flüchtlingsboot absichtlich verzögert haben

Für Flüchtlinge, die über das Mittelmeer nach Europa gekommen sind, geht es bei diesem Prozess um Gerechtigkeit: Am Dienstag hat der Strafprozess gegen zwei hochrangige italienische Beamte in Rom begonnen. Leopoldo Manna von der italienischen Küstenwache und Luca Licciardi von der Marine sind wegen mehrfachen Totschlags und Fahrlässigkeit angeklagt. Die Staatsanwaltschaft macht sie für den Tod von rund 250 Flüchtlingen im Mittelmeer verantwortlich.

Das Schiff mit vermutlich rund 400 Flüchtlingen war vor über sechs Jahren, am 11. Oktober 2013, vor der Insel Lampedusa in Seenot geraten. Eine ausführliche Dokumentation des Falles hat »watch the med« in englischer Sprache verfasst. Die Onlineplattform dokumentiert Flüchtlingsbewegungen auf dem Mittelmeer. 2013 war es der zweite Fall innerhalb von acht Tagen, bei dem mehrere hundert Flüchtlinge im Mittelmeer ertranken. Weder die italienische noch die maltesiche Küstenwache sollen den in Seenot geratenen Menschen angemessen geholfen haben. Nebenkläger im Prozess sind überlebende Angehörige der Katastrophe.

Zu einem wirklichen Prozessauftakt kam es am Dienstag dann allerdings doch nicht. Wegen eines Streiks von Gerichtsangestellten sei es lediglich zu einer Vertagung auf den 5. Mai 2020 gekommen, berichtet eine Prozessbeobachterin von der zivilgesellschaftlichen Organisation »Alarmphone« gegenüber »nd«. Das »Alarmphone« gibt es seit 2014. Rund um die Uhr nehmen Mitarbeiter*innen der Organisation Anrufe von Flüchtlingen entgegen, die sich auf dem Mittelmeer befinden und in Seenot geraten. Das zivilgesellschaftliche Netzwerk umfasst heute rund 200 Beteiligte in Europa und Nordafrika.

Das Gerichtsverfahren wird von Seenotrettungsorganisationen und Hinterbliebenen als enorm wichtig eingeschätzt. Im Prozess soll herausgefunden werden, wer für den Tod der Flüchtlinge verantwortlich ist und ob die beiden Beamten den Beginn des Rettungseinsatzes verzögert haben. Ruben Neugebauer, der sich bei der deutschen Seenotrettungsorganisation »Sea Watch« engagiert, erläutert gegenüber »nd«, warum: »Das aktuelle Verfahren ist unglaublich wichtig, weil wir wieder in der Situation sind, in der sich die Rettungsleitstellen um die Zuständigkeit streiten und sich mit einer Grenzschutzorganisation verwechseln.«

Seenotretter wirft Rettungsleitstellen Rassismus vor

Erst in der letzten Woche habe sich dieser Streit wiederholt, berichtet er »nd«. Obwohl das »Alarmphone« die Position eines Flüchtlingsbootes bekannt gegeben habe, wäre diese von der Rettungsleitstelle nicht an das zivile Rettungsschiff »Alan Kurdi« weitergegeben worden. Neugebauer vermutet »schlichten Rassismus« hinter dem Zuständigkeitsstreit: »Käme ein Notruf eines Freizeitschiffes zwischen Dänemark und Deutschland, käme keine Rettungsleitstelle auf die Idee um die Zuständigkeit zu streiten. Es wären vermutlich einfach zwei Hubschrauber in der Luft.«

Die UNO-Flüchtlingshilfe geht davon aus, dass in den letzten fünf Jahren bei der Überfahrt über das Mittelmeer rund 15.000 Menschen starben oder anschließend vermisst wurden. In diesem Jahr sind es mehr als 1.200 Menschen. Rettungsorganisationen schätzen die Zahlen noch höher, weil es eine Dunkelziffer über Schlauchboote gibt, die sinken, ohne dass eine Küstenwache oder Nichtregierungsorganisation davon etwas mitbekommt.

Für die Überlebenden, die 2013 auf dem Schiff waren, geht es um Gerechtigkeit. »Kein Prozess wird jemals die Toten wieder zum Leben erwecken«, sagte Arturo Salerni, der Anwalt der Angehörigen der Opfer, dem Fernsehsender Al Jazeera bereits im September. »Aber für die Familien ist es eine Form der Gerechtigkeit, die schrecklichen Stunden wieder aufzubauen, in denen das Boot voll Wasser lief und ihre Anrufe unbeantwortet blieben.« Er sagte, die Familien der Opfer hofften auf eine Strafe für die beiden Beamten und auf eine Entschädigung für ihren Verlust.

Seenotretter hoffen auf Ende »menschenfeindlicher Politik« in Italien
Nach dem Ende der Koalition aus Fünf-Sterne-Bewegung und Salvinis rechter Lega hoffen NGOs auf eine Regierung »auf dem Boden der Verfassung«.

Ob es zu einer Verurteilung der beiden beschuldigten Mitarbeiter von italienischer Küstenwache und Marine kommt ist völlig offen. Mannas Anwalt vertritt für seinen Mandanten die Position, dass Italien nicht zuständig gewesen sei, sondern die maltesische Rettungsleitstelle. Damit geht der Zuständigkeitsstreit der Rettungsleitstellen auch im Verfahren weiter.

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