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Bahn setzt vermehrt auf Quereinsteiger
Verspätungen durch Personalmangel auch bei Privatbahnen
Montag im Münchener Hauptbahnhof: Bahn-Personalvorstand Martin Seiler begrüßt gemeinsam mit Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) publikumswirksam die frischgebackene Bauingenieurin Christina Hoiß, die seit 1. Dezember als 23.000. Beschäftigte im Konzern arbeitet. Sie soll nun Brücken planen und bauen. Angesichts der sanierungsbedürftigen Eisenbahninfrastruktur dürfte ihr dabei die Arbeit in den kommenden Jahren nicht ausgehen.
Die Einstellungsoffensive der Bahn soll auch im kommenden Jahr fortsetzt werden. Während etwa in der Metallindustrie unter dem Eindruck einer hereinbrechenden Absatzkrise ein massiver Personalabbau begonnen hat und sich Ängste vor betriebsbedingten Kündigungen und Betriebsschließungen breit machen, sucht die Bahn in einer beinahe historischen Einstellungswelle händeringend neue Arbeitskräfte und bietet jede Menge Ausbildungsstellen sowie Plätze für ein duales Studium an.
Damit lockt die Deutsche Bahn (DB) auch zahlreiche Quereinsteiger an. So ließ Cosima Ingenschay, die neue Bundesgeschäftsführerin der DGB-Bahngewerkschaft EVG, in ihrer Bewerbungsrede beim jüngsten außerordentlichen Gewerkschaftstag die Delegierten wissen, dass sich auch ihre Friseurin für eine Laufbahn als Zugbegleiterin entschieden habe. Zum Zuge kommen auch Arbeiter, die in Autowerken, Druckereien oder Kohlezechen Opfer von Personalabbau geworden sind.
Weil es schnell gehen muss, werden die Hürden für eine Einstellung gesenkt. Wer früher eine Laufbahn als Lokführer beziehungsweise Triebfahrzeugführer anstrebte, musste eine abgeschlossene Berufsausbildung in einem technischen Lehrberuf (Schlosser, Elektriker, Mechatroniker) nachweisen. Diese Regel wurde aufgeweicht. Bewerber sollten diese Vorbildung »möglichst« mitbringen, so die offizielle Sprachregelung.
»Schön, dass die Führungskräfte eingesehen haben, dass es ohne Personal nicht geht«, erklärt ein DB-Insider gegenüber »nd«. »Das hat lange gebraucht«. Der Eisenbahner erinnert daran, dass sich der Bahnvorstand die aktuelle Personalknappheit selbst eingebrockt habe. Tatsächlich übernahmen im Zuge der 1994 eingeleiteten »Bahnreform« zunehmend Betriebswirte und Juristen das Kommando im Konzern. Im Vorgriff auf den angestrebten Börsengang setzte ein massiver Personalabbau ein. Jahrelang wurden so auch erfahrene Fachkräfte auf der Grundlage großzügiger Regelungen zur Frühpensionierung animiert. Ihr Sachverstand fehlte im Betriebsablauf und musste in Form externer Beraterverträge wieder »eingekauft« werden. All dies mag für einzelne Betroffene »sozial verträglich« gewesen sein. Für das Gesamtsystem brachte es jedoch enorme Reibungsverluste.
Jahrelang wollten die DB-Manager nicht wahrhaben, dass die Mehrheit der heute Beschäftigten im kommenden Jahrzehnt in Rente gehen wird. Dass die Aufspaltung des Unternehmens und der wachsende Konkurrenzkampf zwischen privaten Bahnen die Misere verschärfen, wollen weder Führungskräfte noch Politiker wie Scheuer eingestehen, die mit ihren politischen Weichenstellungen die Misere maßgeblich programmiert haben. Während früher die örtlichen Einsatzstellen DB-Lokführer abwechselnd für Fern-, Nah- und Güterverkehr einsetzten, sind die Bereiche längst penibel voneinander getrennt. Jede Sparte hat ihre eigenen Disponenten und Triebfahrzeugführer. Dies bedingt teure Mehrfachstrukturen.
Immer wieder verspätet sich die Weiterfahrt von ICE-Zügen allein deshalb, weil der laut Dienstplan vorgesehene Lokführer noch auf einem anderen verspäteten Zug festhängt. Bei vielen Privatbahnen, die seit zwei Jahrzehnten zunehmend die DB verdrängt haben, ist das Chaos in aller Regel noch viel größer. Zu den Unternehmen, die mit einem planmäßigen Regionalverkehr völlig überfordert sind, gehört die in Mainz ansässige Vlexx GmbH. Das Unternehmen soll mit dem Fahrplanwechsel am kommenden Wochenende zusätzliche saarländische Strecken übernehmen. Nun musste die Geschäftsleitung eingestehen, dass wegen »angespannter Personallage« ab Sonntag ein »reduzierter Ersatzfahrplan« gelten werde. Eine angesichts der Klimakatastrophe dringend notwendige Verkehrswende mit Stärkung der Schiene wird damit ausgebremst.
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