Ende des Stillstandes

Nach Pariser Gipfel zur Ukrainekrise bleiben noch viele Probleme

  • Klaus Joachim Herrmann
  • Lesedauer: 4 Min.

«Keinen offensichtlichen Durchbruch» mochte die angesehene russische «Njesawissimaja Gasjeta» dem Pariser Gipfel im Normandie-Format nach einer Pause von rund drei Jahren bescheinigen. Dabei hatten sich in wechselnden Runden die Staats- und Regierungschefs Deutschlands, Frankreichs, Russlands und der Ukraine seit Montagnachmittag gut acht Stunden offenkundig große Mühe gegeben.

Gastgeber Emmanuel Macron zeigte sich zufrieden: «Die Tatsache, dass wir hier Seite an Seite sitzen, ist bereits ein wichtiges Ergebnis.» Bundeskanzlerin Angela Merkel lobte: «Wir haben heute die Zeit des Stillstands überwunden.» Es seien «realistische Dinge» vereinbart worden. Russlands Präsident Wladimir Putin sprach von einem Fortschritt für die Menschen im Kriegsgebiet Ostukraine, sachlichen Gesprächen und gar von einer «Erwärmung» in den Beziehungen. Jedoch hätten viele Fragen während des rund neunstündigen Gipfels nicht beantwortet werden können, merkte für die Ukraine Präsident Wolodymyr Selenskyj kritisch an. «Das muss man unbedingt in der Zukunft tun.»

Der Verlauf einer fast anderthalbstündigen ersten direkten Begegnung der Präsidenten Russlands und der Ukraine könnte darauf hoffen lassen machen. So wurde Putin danach mit dieser Antwort auf die Frage auf die Frage von Journalisten, ob er zufrieden sei, zitiert: «Yes, I’m happy.»

Sein Gegenüber klagte eher scherzhaft: «Es ist schwer, mit ihm zu verhandeln. Er zerlegt jede Frage ins kleinste Detail, und jedes Wort muss dann einzeln abgestimmt werden.»

Wenn auch nach einem gemeinsamen Abendessen Selenskyj bemängelte, er hätte mehr vom Gipfel erwartet, wirkte die Atmosphäre doch eher freundlich. Putin seinerseits verwies auf Fortschritte bei den Verhandlungen über mehrere «Problemkreise» und auf den Wert von Gesprächen: «Kein einziger Konflikt in der Welt wurde ohne den direkten Dialog zwischen den Konfliktparteien gelöst.»

Das allerdings konnte als Anerkennung der Rolle Russlands als direkte Konfliktpartei ebenso gedeutet werden wie als Aufforderung an Kiew, nun endlich mit den abtrünnigen prorussischen Republiken in der Ostukraine direkt zu verhandeln.

Dort waren die Gespräche an einem runden Tisch im Pariser Elysée-Palast naturgemäß aufmerksam verfolgt worden. In der nicht anerkannten Volksrepublik Luhansk bekräftigte deren Vertreter bei den Minsker Verhandlungen, Rodion Miroschnik, sofort die Notwendigkeit direkter Gespräche. Nur so sei eine Reihe von Punkten, die der Gipfel beschlossen habe, umzusetzen. Die Region Luhansk sei zu diesem Dialog bereit.

In der Gipfelerklärung wurde erneut darauf verwiesen, dass die umkämpften russischsprachigen Gebiete Luhansk und Donezk künftig einen Sonderstatus erhalten sollen. Für die Detailarbeit dazu brauche es aber direkte Gespräche, sagte Miroschnik. Der vereinbarte Gefangenenaustausch zwischen Kiew und Donezk könne bis Ende des Jahres verwirklicht werden, erklärte die Ombudsfrau Darja Morosowa laut dpa örtlichen Medien. Ein Austausch nach der Formel «88 gegen 53» sei möglich, meinte sie. Die ukrainische Seite habe 88 Gefangene, «wir haben 53 bestätigt», sagte sie. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte den 24. Dezember als Termin für den Austausch genannt. Als ein «dickes Brett, das wir noch bohren müssen», bezeichnete Merkel die schwierige Frage, wie sichere Bedingungen für Kommunalwahlen in den Separatistengebieten geschaffen werden können.

Kiew sei zur Erfüllung der getroffenen Vereinbarungen bereit, versicherte der ukrainische Präsident, es dürfe jedoch keine Einbahnstraße geben. Mit einer Föderalisierung der Ukraine werde er sich aber niemals einverstanden erklären: «Die Ukraine - das ist ein Einheitsstaat, das ist ein unveränderlicher Artikel der Verfassung.»

Zur Frage der geforderten Übergabe der Kontrolle der ukrainischen Grenzen an Kiew äußerte sich Putin erst nach seiner Rückkehr in die Heimat. So kritisierte er auf einer Sitzung des Rates für Menschenrechte in der russischen Hauptstadt, dass die Ukraine «bis heute kein Gesetz über eine Amnestie angenommen hat». Ein solches Vorgehen sei zwar bereits 2015 vereinbart worden, «aber nichts tut sich». Würde jedoch die Grenze durch die ukrainische Armee geschlossen, warnte Putin vor einem Schreckensszenario, «stelle ich mir vor, was weiter passiert. Es wird Srebrenica», zitierte die Zeitung «Kommersant» unter Hinweis auf die Agentur «Interfax».

Kompromisse dürften keine Abkehr von den Minsker Vereinbarungen bedeuten, stellte am gleichen Tag Kremlsprecher Dmitri Peskow in Moskau klar. Jede Abkehr führe zu einem völligen Chaos im Prozess der Regulierung«, warnte er vor Journalisten. Dort seien auch Ordnung und Abfolge der Übergabe der Grenzkontrolle geregelt.

Peskow informierte bei dieser Gelegenheit auch über Gespräche der Präsidenten Putin und Selenskyj über die Gaslieferungen und den Transit des Energieträgers im Jahr 2020: »Bisher ist es zu keiner abschließenden Regelung gekommen.« Die Standpunkte beider Seiten seien bekannt.

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