Länger arbeiten für sichere Altersversorgung

Frankreichs Premierminister erläutert und verteidigt Rentenreform

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 4 Min.

Es gelte, den Pakt zwischen den Generationen auf Dauer zu sichern, damit diejenigen, die heute für ihre Eltern zahlen, sicher sein können, dass später auch ihre Rente sicher gezahlt wird. »Darin sind wir uns - bei allen sonstigen Differenzen - mit den Gewerkschaften einig«, sagte Premierminister Edouard Philippe am Mittwochmittag in Paris. »So, wie wir das Prinzip ›Jeder für sich‹ ablehnen und die Altersversorgung nicht dem König Geld ausliefern wollen.«

Das Rentensystem solle gerechter, einfacher und transparenter werden. Vor allem müsse gesichert sein, dass es finanziell auf soliden Füßen steht und ausgeglichen ist. Die künftige Rentenberechnung - nach Punkten statt wie bisher nach Beitragsquartalen - sei flexibler und entspreche besser den Entwicklungen des Arbeitsmarkes mit Karrieren, die sich oft kompliziert aus verschieden langen Beschäftigungsverhältnissen mit wechselndem Status zusammensetzen. Dadurch sammeln auch Teilzeitarbeiter, Mini-Jobber und Mikro-Unternehmer Punkte für die Rente, deren Beiträge heute nur zu oft ohne Rentensprüche verloren gehen, weil die Mindestzahl von 150 Arbeitsstunden pro Quartal nicht erreicht wird.

»Dieses gemeinsame Ringen um die Rentenreform ist kein Kräftemessen«, sagte Philippe. »Hier gibt es keine Sieger oder Verlierer, weil wir letztlich alle das gleiche Ziel haben, wenn wir auch mitunter verschiedener Meinung über den Weg dorthin sind.« Er versicherte, dass es der Regierung nicht darum gehe, Mittel einzusparen, sondern die Finanzierbarkeit des Rentensystems zu sichern und zu garantieren, dass künftig kein Rentner weniger bekomme als heute.

Der Wert der Rentenpunkte werde nicht durch die Regierung festgelegt, sondern durch die Sozialpartner, und es werde per Gesetz garantiert, dass die Punkte nicht an Wert verlieren. Um Gleichheit und Gerechtigkeit zu sichern, werden die bisherigen 42 unterschiedlichen Rentensysteme abgeschafft und in einem einheitlichen System aufgehen, »stufenweise und mit Übergangsregelungen, ohne Brutalität, sondern mit Fingerspitzengefühl«. Künftig werde jeder Franzose hinsichtlich seiner Rentenansprüche gleich behandelt, vom Klempner und dem Landwirt über den Ingenieur bis zum Abgeordneten oder Minister. Wer mehr als 10 000 Euro verdient, erwirbt mit seinen darüber hinaus gehenden Abgaben keine weiteren Rentenansprüche, sondern unterstützt damit solidarisch ärmere Franzosen.

Zu den Gewinnern des neuen Rentensystems sollen die Frauen gehören, die viel weniger verdienen und noch weniger Rente bekommen, und denen die Schwangerschaft und die Erziehungszeit künftig schon vom ersten Kind an besser angerechnet wird.

Kein Rentner werde künftig weniger als 1000 Euro netto erhalten, versicherte der Premier, und die Hinterbliebenenrente werde auf 70 Prozent des früheren gemeinsamen Renteneinkommens festgesetzt. »Wir wollen Zweifel der jüngeren Generationen an unserem Rentensystem ausräumen«, betonte der Premierminister.

Markenzeichen »Schnauzbart«
Philippe Martinez von der französischen Gewerkschaft CGT versammelt die Linke gegen Emmanuel Macron

Man müsse berücksichtigen, dass 1950 in Frankreich vier Beitragszahler auf einen Rentner entfielen, während es durch die verlängerte Lebenserwartung und die entsprechend veränderte Altersstruktur heute nur noch 1,7 Beitragszahler sind. »Um die Renten zu sichern und weiter auf hohem Niveau zu halten, wird es nötig sein, etwas mehr zu arbeiten«, mahnte Philippe. Das gesetzliche Rentenalter liege weiterhin bei 62 Jahren, doch wer seine volle Rente bekommen will, muss bis zum »finanziellen Ausgleichsalter« arbeiten, das 2025 bei 64 Jahren liegen wird. Körperlich besonders schwere Tätigkeit wird in Rentenpunkten angerechnet und ermöglicht es, bis zu zwei Jahre eher in Rente zu gehen. Bei der Umsetzung der Rentenreform wolle die Regierung schrittweise und in Maßen vorgehen. Wer 17 Jahre oder weniger vor dem Rentenalter steht, für den gelten bis zum Ende seines Arbeitslebens die bisherigen Regeln. Die neuen werden erst voll für die Generationen gelten, die ab 2022 ins Arbeitsleben eintreten. Für die dazwischen liegenden Generationen gelten alte oder neue Regeln für den Zeitraum vor oder nach 2025.

»Ich bin entschlossen, diese Reform umzusetzen, weil ich von ihr überzeugt bin«, sagte Philippe abschließend, »auch wenn ich nicht die Schwierigkeiten verkenne«. Es sei aber »kein Sprung ins Ungewisse, sondern eine Rückkehr zu den Grundprinzipien der Republik«.

Im Anschluss an die Rede äußerte sich die reformistische CFDT-Gewerkschaft, auf deren Unterstützung die Regierung gehofft hatte, »zutiefst enttäuscht«. Durch die Festsetzung des Rentenalters de facto auf 64 Jahre sei »eine rote Linie überschritten«, sagte CFDT-Generalsekretär Laurent Berger. Noch am Mittwochabend wollte die Gewerkschaft über ihre künftige Haltung entscheiden.

Der Generalsekretär der Gewerkschaft CGT, Philippe Martinez, sagte, Edouard Philippe habe »nicht auf die Unzufriedenheit der Massen gehört«, und rief dazu auf, die Streiks und Protestaktionen fortzusetzen und noch zu verstärken.

Enttäuscht zeigten sich auch die Gewerkschaft Force Ouvrière, die Lehrergewerkschaft FSU und die Polizeigewerkschaft Unité SGP.

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