Ein Endspiel um Olympia bleibt

Gegen Norwegen verlieren die deutschen Handballerinnen die Chance auf eine WM-Medaille

  • Michael Wilkening
  • Lesedauer: 3 Min.

Es flossen wieder Tränen, deutlich mehr sogar als zwei Tage zuvor. Dabei hätten die deutschen Handballerinnen nach der Niederlage gegen Serbien (28:29) mehr Grund zum Heulen gehabt als am Mittwochabend in Kumamoto nach dem 29:32 (16:17) gegen Norwegen. Gegen das Team vom Balkan hatten sie die Teilnahme am Halbfinale bei der Weltmeisterschaft in Japan verschenkt, letztlich hätte ihnen sogar ein Remis gegen die Serbinnen gereicht. Im Duell gegen Rekordeuropameister Norwegen wäre ein Unentschieden zwar ebenfalls ausreichend gewesen, aber erstmals im Turnierverlauf wirkten die Gegnerinnen schlicht besser.

Die deutschen Spielerinnen kämpften erneut aufopferungsvoll, waren aber nicht gut genug. »Die Mädels waren richtig müde«, sagte Bundestrainer Henk Groener. Der Niederländer hatte mit vielen Wechseln versucht, seiner Mannschaft das tränenreiche Ende zu ersparen. Groeners Eingreifen half aber nicht mehr.

Der Traum von der Medaillenrunde ist somit ausgeträumt, aber die Hoffnung auf die Teilnahme an den Olympischen Spielen 2020 besteht noch. Allerdings müssen die Deutschen dazu das »Finale für Tokio« gewinnen. Am Freitag (6.30 Uhr MEZ) wird im Spiel um Platz sieben bei dieser WM gegen Schweden das letzte Ticket für ein Qualifikationsturnier im kommenden März vergeben. »Wir werden alles geben. Diese Chance wollen wir nutzen«, kündigte Kim Naidzinavicius an. Auch die Kapitänin hatte blutunterlaufene Augen; nach der Enttäuschung gegen Norwegen ließ sie ihren Emotionen freien Lauf und verließ das Spielfeld mit Tränen in den Augen.

Die Deutschen verspielten die Halbfinalchance nicht gegen Norwegen. Diese Erkenntnis wird sich irgendwann auch bei den Spielerinnen durchsetzen, denn gegen das Team aus Skandinavien war die Leistung von Groeners Spielerinnen insgesamt einfach nicht ausreichend. Der Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) war es nicht gelungen, mit der eigenen Abwehrleistung Dominanz auszuüben. In den Spielen zuvor waren die Deutschen immer besser als ihre Gegner, wenn die eigene Defensive funktionierte. Gegen Norwegen war das nicht der Fall, weshalb die Niederlage trotz des kämpferischen Einsatzes nur folgerichtig war.

Zum ersten Mal bei der Weltmeisterschaft kassierten die deutschen Frauen mehr als 30 Gegentore, auch weil sie durch die Belastungen der Vortage nicht mehr durchgängig in der Lage waren, ihre große Stärke zum Tragen zu bringen: die gute Beinarbeit. Die Norwegerinnen kamen zu einfachen Torchancen, gegen ihr Tempospiel fanden die Deutschen auch nie ein Mittel. Zu Beginn der zweiten Halbzeit zog Norwegen auf 25:20 davon - dieser Rückstand war zu groß, um ihn mit einem Kraftakt wieder aufzuholen. Bis auf zwei Treffer (28:30) kam die DHB-Auswahl noch mal heran, eine Wende blieb diesmal aber aus.

Es half den deutschen Spielerinnen nicht, dass sie im zweiten Turnier unter der Regie von Groener sichtbar weitergekommen sind. Der körperliche Rückstand auf die Spitzennationen ist geringer geworden, der eigene Spielplan hat klarere Konturen erhalten. Auf dem Weg, die deutschen Handballerinnen in der Weltspitze zu etablieren, ist der Niederländer vorangekommen. Dennoch wird das Turnier in schlechter Erinnerung bleiben, wenn das Spiel um Platz sieben am Freitag verloren gehen sollte.

Immerhin müssen die Schwedinnen ein ganz ähnliches emotionales Durcheinander entwirren. Parallel zum Spiel der Deutschen gegen Norwegen hätten auch sie mit einem Sieg gegen Montenegro ins Halbfinale einziehen können und galten nach den bisherigen Turniereindrücken als Favorit. Doch die Skandinavierinnen scheiterten an der eigenen Erwartungshaltung, verloren 23:26 und rutschen in ihrer Gruppe - wie die Deutschen - noch auf den vierten Rang hinter Montenegro ab.

Es wird am Freitag im »Finale für Tokio« also darum gehen, wer den Frust des geplatzten Halbfinaltraums besser verarbeitet hat. »Unser Ziel war der siebte Platz, und den können wir noch schaffen«, sagte Naidzinavicius. Sie versuchte, unmittelbar nach der Pleite gegen Norwegen entschlossen zu wirken. Das gelang nicht, aber bis zu ihrem letzten Spiel bei der Weltmeisterschaft in Japan waren zu diesem Zeitpunkt ja noch einige Stunden Zeit.

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