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Nazis in Griechenland frohlocken
Staatsanwältin fordert Entlastung der Führungsriege der Goldenen Morgenröte
Das Plädoyer der griechischen Staatsanwaltschaft dürfte alle Hoffnungen der Parteiführung der Chrysi Avgi (Goldene Morgenröte) übertroffen haben. Im Prozess gegen Politiker der neonazistischen Partei wegen der Ermordung des Musikers Pavlos Fyssos vor mehr als sechs Jahren forderte die Staatsanwaltschaft am Mittwoch in Athen Freisprüche.
Parteichef Nikos Michaloliakos und andere hochrangige Funktionäre sollen von der Anklage freigesprochen werden, eine kriminelle Organisation zu leiten. In ihren Empfehlungen an das Gericht sagte die Staatsanwältin Adamantia Ekonomou, es habe einen Mangel an Beweisen für die Anschuldigungen gegeben. Diesen zufolge war die Führung der Goldenen Morgenröte an der Planung oder Ausführung der in der Anklage aufgeführten Verbrechen beteiligt, einschließlich der Morde an dem 34-jährigen antifaschistischen Rapper Fyssas und dem 27-jährigen pakistanischen Arbeiter Shazat Luqman im Jahr 2013.
Ekonomou forderte auch, dass alle Vorwürfe einer Beteiligung der Führungsriege an der Ermordung von Fyssas fallengelassen werden. Ihr Argument: Giorgos Roupakias, der den Musiker erstach, und der Mitglied der Goldenen Morgenröte ist, habe allein gehandelt. Ekonomou sprach sich auch dafür aus, Anklagepunkte gegen neun Parteimitglieder fallenzulassen, die wegen zweier brutaler Angriffe 2012 und 2013 auf vier ägyptische Fischer und auf eine Gruppe kommunistischer PAME-Gewerkschaftern in Perama, Vorort der Hafenstadt Piräus, angeklagt waren. Weitere Angriffe von Mitgliedern der Partei richteten sich gegen linke und antirassistische Aktivisten, Roma und Migranten - insbesondere Albanern.
Die Staatsanwältin beschrieb diese Vorfälle als »isolierte Handlungen, für die die Führung nicht verantwortlich war«. Ekonomou sagte, »die Ideologie einer politischen Partei ist aus strafrechtlicher Sicht irrelevant; was wir untersuchen, sind Straftaten«. Dann führte sie dennoch ein politisches Argument an. Immerhin sei die Partei bei den Parlamentswahlen dieses Jahres nicht ins Parlament gewählt worden, was darauf hindeute, dass der Mord an Fyssas ihrer Popularität geschadet habe.
»Heute, am 18. Dezember, ist Pavlos Fyssas seit 75 Monaten tot. Sie haben sich heute entschieden, ihn erneut zu erstechen?« fragte Magda Fyssa, die Mutter des ermordeten Musikers, die Staatsanwaltschaft. Fyssa hat seit Beginn des Prozesses im April 2015 an jeder Sitzung des Gerichts teilgenommen.
»Ein schlechter Tag für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit«, fasst Maria Oshana, Leiterin des Büros der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Athen, die Reaktionen auf das Plädoyer zusammen. »Das ist ein Schlag ins Gesicht aller Opfer rechtsextremer Gewalt, ihrer Angehörigen und aller, die in den letzten Jahren dagegen angekämpft haben. Seit Jahren warten wir auf Gerechtigkeit. Stattdessen Häme, eine ständige Verschleppung des Prozesses und jetzt dieses Plädoyer.« Ein Urteil wird frühestens im Frühjahr erwartet. Für Samstag sind in Athen und Thessaloniki antifaschistische Proteste angekündigt.
Der Name »Chrysi Avgi« tauchte erstmals Anfang der 1980er Jahre als Titel einer Zeitschrift neonazistischer Zirkel auf. Schon damals war Nikolaos Michaloliakos Chef der Jungen Gruppe und Herausgeber des Magazins. Die ersten Erfolge feierten die Neonazis in den 1990ern. Doch erst bei den Kommunalwahlen 2010 erzielten sie einen nennenswerten Wahlerfolg. Michaloliakos zog als Abgeordneter in den Stadtrat von Athen ein und provozierte gleich mit einem Hitlergruß. Danach entwickelte sich die Partei zur drittstärksten politischen Kraft.
Das änderte sich im September 2013, als der Mord an dem prominenten Rapper Pavlos Fyssas das Land schockierte. 69 Mitglieder der Partei, darunter Michaloliakos und 18 Abgeordnete, wurden verhaftet und wegen der Leitung einer kriminellen Organisation angeklagt. Laut dem Journalisten Dimitris Psarras sei im Prozess entscheidend, das Führerprinzip der Organisation nachzuweisen. Davon hänge ab, ob Michaloliakos ins Gefängnis kommt. Die Verhandlung dauert an, die Führungsmitglieder sind nach Ablauf der Untersuchungshaft inzwischen auf freiem Fuß.
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